Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BVerfG Beschluss vom 25.03.2004 - 2 BvR 944/00

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen
 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsaufspaltung: Personelle Verflechtung bei wechselseitigen Mehrheitsbeteiligungen von Ehegatten am Besitz- und Betriebsunternehmen

 

Leitsatz (redaktionell)

Der einheitliche Betätigungswille für eine personelle Verflechtung ist auch gegeben, wenn die Gesellschafter an der Besitzgesellschaft mit 60 v.H. zu 40 v.H. und an der Betriebsgesellschaft im umgekehrten Verhältnis von 40 v.H. zu 60 v.H. beteiligt sind. Der aus der bewusst geplanten Unternehmensstruktur hergeleiteten Vermutung gleichgerichteter Interessen steht die Entscheidung des BVerfG zur steuerlichen Anerkennung von Ehegattenarbeitsverhältnissen (BVerfG vom 7.11.1995, 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34) nicht entgegen.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG § 15 Abs. 2

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 24.02.2000; Aktenzeichen IV R 62/98; BFH/NV 2000, 913)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Gründe

Mit der Verfassungsbeschwerde wird ein Urteil angegriffen, mit dem der Bundesfinanzhof erstmals entschieden hat, dass die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung auch dann gegeben sind, wenn an beiden Gesellschaften ausschließlich dieselben beiden Personen beteiligt sind, sich aber die Beteiligungsquoten in der Besitzgesellschaft mit 60 % zu 40 % von denen in der Betriebsgesellschaft mit 40 % zu 60 % unterscheiden.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht erfüllt sind. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 ff.≫; 96, 245 ≪250≫), denn die angegriffene Entscheidung lässt einen Verstoß gegen Grundrechte der Beschwerdeführer nicht erkennen.

  • Soweit die Beschwerdeführer rügen, dass der Bundesfinanzhof vom Vorliegen eines zur Annahme der personellen Verflechtung erforderlichen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens ausgegangen sei, obgleich der Beschwerdeführer zu 1. alleiniger Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft, die Beschwerdeführerin zu 2. alleinige Geschäftsführerin der Besitzgesellschaft gewesen sei, Letzere zudem als selbstständige Handelsvertreterin Geschäftsbeziehungen zur Betriebsgesellschaft unterhalten habe, woraus sich die Verfolgung jeweils eigener geschäftlicher Interessen ergebe, machen sie geltend, dass die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung in ihrem konkreten Fall zu Unrecht vom Bundesfinanzhof bejaht worden seien. Hiermit wenden sie sich gegen die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts.

    Die Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind jedoch allein Sache der dafür zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen, sofern das angegriffene Urteil keine Auslegungsfehler enthält, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫). Derartige Auslegungsfehler lässt die angegriffene Entscheidung nicht erkennen.

    a) Die in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur steuerlichen Behandlung der Betriebsaufspaltung betreffen allein das einfache Gesetzesrecht. Bei der Betriebsaufspaltung geht es darum, ob die Tätigkeit der Besitzgesellschaft der Einkunftsart Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) oder der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) zuzuordnen ist. Der Bundesfinanzhof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine gewerbliche Tätigkeit der Besitzgesellschaft gegeben ist, wenn zwischen dieser und der Betriebsgesellschaft enge sachliche und personelle Verflechtungen bestehen. Das Bundesverfassungsgericht hat die in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs herausgearbeiteten allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Behandlung der Betriebsaufspaltung im Steuerrecht ausdrücklich gebilligt. Es hat unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG allerdings beanstandet, wenn bei der Beurteilung der personellen Verflechtung von der – wenn auch widerlegbaren – Vermutung ausgegangen wird, Ehegatten verfolgten gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen (vgl. BVerfGE 25, 28 ≪35 ff.≫; 69, 188 ≪203 ff.≫).

    b) Anwendung und Auslegung des einfachen Rechts durch den Bundesfinanzhof verstoßen nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Gericht ist weder zu einer gleichheitswidrigen Differenzierung gelangt noch ist eine Verletzung des Verbots willkürlicher Rechtsanwendung feststellbar.

    aa) Der Bundesfinanzhof ist bei der Anwendung der zur Behandlung der Betriebsaufspaltung entwickelten einfach-rechtlichen Rechtsgrundsätze nicht zu einer Differenzierung gelangt, die gegen den Gleichheitssatz verstößt. Es ist vor Art. 3 Abs. 1 GG von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, ein Pachtverhältnis zwischen zwei Unternehmen, die völlig unabhängig voneinander sind, anders zu würdigen als das Pachtverhältnis zwischen Unternehmen, die enge sachliche und personelle Verflechtungen aufweisen. Denn bei einer “normalen” Fremdverpachtung hat der Verpächter im Vergleich mit Gestaltungen, über die der Bundesfinanzhof im vorliegenden Fall zu befinden hatte, keine vergleichbaren Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten auf den Betrieb des Pächters (vgl. BVerfGE 25, 28 ≪37≫).

    bb) Der Bundesfinanzhof hat auch nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Verbot willkürlicher Rechtsanwendung verstoßen, indem er die vorliegende Fallgestaltung den Regeln der Betriebsaufspaltung unterwarf. Der Bundesfinanzhof hat nachvollziehbar und plausibel begründet, aufgrund welcher Umstände er in der konkreten gesellschaftsrechtlichen Konstellation vom Vorliegen des einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens ausgeht. Er hat weiterhin dargelegt, warum er den Gesichtspunkten “Handelsvertretung” und “Geschäftsführung” nur eingeschränkte Bedeutung beigemessen hat. Treten auf Grund der genannten Gesichtspunkte Interessengegensätze nachweisbar tatsächlich auf, dann können die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung mit der Folge entfallen, dass die Besitzgesellschaft nunmehr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezieht. Solange sich aber das in den besagten Gesichtspunkten möglicherweise innewohnende Konfliktpotential nicht zu realen Interessengegensätzen verdichtet hat, steht es der Annahme eines einheitlichen wirtschaftlichen Betätigungswillens nicht entgegen. Diesen Überlegungen des Bundesfinanzhofs haftet nichts Willkürliches an.

    cc) Soweit der Bundesfinanzhof aus der von den Steuerpflichtigen bewusst geplanten Unternehmensstruktur eine Vermutung gleichgerichteter Interessen hergeleitet hat, steht dem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Anerkennung von Ehegattenarbeitsverhältnissen (Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 1995 – 2 BvR 802/90 –, BStBl II 1996, S. 34) nicht entgegen. Denn die aus der bewusst geplanten Unternehmensstruktur gewonnene Vermutung ist, was sich aus dem angegriffenen Urteil unmittelbar ergibt, keine unwiderlegliche. Die Indizwirkung der Unternehmensstruktur für das Vorliegen des einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens und damit der Betriebsaufspaltung wird nicht zu einem Tatbestandsmerkmal “Art der Unternehmensstruktur” verselbstständigt, das schon für sich genommen die Annahme eines Verpachtungsverhältnisses und damit von Verpachtungseinkünften im Sinne des § 21 EStG stets ausschließen würde. Vielmehr können Interessengegensätze, die sich aus der Beteiligungsstruktur oder aus anderen Einzelfallumständen tatsächlich ergeben, als Indizien für einen uneinheitlichen wirtschaftlichen Betätigungswillen gewertet werden und somit zur Verneinung der Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung und zur steuerlichen “Anerkennung” des Pachtverhältnisses führen.

    dd) Es ist ferner nicht erkennbar, dass der Bundesfinanzhof mit der angegriffenen Entscheidung die von der Verfassung gezogene Grenze für die richterliche Rechtsfortbildung überschritten habe. Da auch die Rechtsfortbildung das einfache Recht betrifft, darf die vom Fachgericht vorgenommene Würdigung nicht durch eine solche des Bundesverfassungsgerichts ersetzt werden. Dessen Kontrolle beschränkt sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 20 GG darauf, ob das Fachgericht bei der Rechtsfortbildung die gesetzgeberische Grundentscheidung respektiert hat und den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung gefolgt ist (vgl. BVerfGE 96, 375 ≪394≫). Der Bundesfinanzhof hat sich weder über den eindeutigen Willen des Gesetzgebers hinweggesetzt noch hat er sich außerhalb der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung bewegt. Vielmehr lassen die auslegungsbedürftigen und auslegungsfähigen Tatbestandsmerkmale der §§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 3 EStG es auch im vorliegenden Fall zu, die Einkünfte der Besitzgesellschaft als solche aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren, da infolge der engen Verflechtungen zwischen Verpächter und Pächter ein qualifizierter Fall der Verpachtung vorliegt.

  • Schließlich ist nicht erkennbar, dass der Bundesfinanzhof gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßen hat. Denn die vom Bundesfinanzhof im angegriffenen Urteil herangezogenen Rechtsgrundsätze finden ersichtlich auch auf Steuerpflichtige Anwendung, die nicht miteinander verheiratet oder verwandt sind.
  • Von einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

    Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Hassemer, Osterloh, Mellinghoff

 

Fundstellen

Haufe-Index 1332180

DStZ 2004, 458

HFR 2004, 691

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Produktempfehlung
haufe-product

    Meistgelesene Beiträge
    • Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, HGB ... / 2.2 Angaben zu den Posten des Konzernabschlusses
      1
    • Eigenbelege: Der richtige Umgang mit Eigenbelegen und Er ... / 5 Ersatzbeleg/Notbeleg für nicht mehr vorhandene Belege
      1
    • Erwerbergruppe mit gleichgerichteten Interessen
      1
    • Frotscher/Geurts, EStG § 4h Betriebsausgabenabzug für Zi ... / 3.6.3 Fehlende Konzernzugehörigkeit bzw. Fehlen nahestehender Personen (Abs. 2 S. 1 Buchst. b)
      1
    • Mietvertrag bei Angehörigen nach Grundstücksverkauf
      1
    • Steuer Check-up 2026 / 2.11.2 Verlängerung der Beteiligungskette
      1
    • Umsatzsteuern in Europa: Regelungen und Verfahren
      1
    Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Haufe Finance Office Premium
    Top-Themen
    Downloads
    Zum Haufe Shop
    Produktempfehlung


    Zum Thema Finance
    Die neuen Regelungen im Insolvenzrecht: Handbuch Insolvenz
    Handbuch Insolvenz
    Bild: Haufe Shop

    Das Buch stellt die Verfahrensabläufe bei Eintritt einer Insolvenz verständlich dar und gibt Antworten auf alle praxisrelevanten Fragen. Zahlreiche Beispiele, Mustertexte und besonders gekennzeichnete Tipps helfen Ihnen, Fehler zu vermeiden und Haftungsrisiken zu minimieren.


    Grundgesetz / Art. 3 [Gleichheit vor dem Gesetz]
    Grundgesetz / Art. 3 [Gleichheit vor dem Gesetz]

      (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.  (2) 1Männer und Frauen sind gleichberechtigt. 2Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.  (3) ...

    4 Wochen testen


    Newsletter Finance
    Newsletter Steuern und Buchhaltung

    Aktuelle Informationen aus den Bereichen Steuern und Buchhaltung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

    • Für Praktiker im Rechnungswesen
    • Buchhaltung und Lohnbuchhaltung
    • Alles rund um betriebliche Steuern
    Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
    Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
    Haufe Fachmagazine
    Themensuche
    A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
    Zum Finance Archiv
    Haufe Group
    Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe Onlinetraining Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Lexware rudolf.ai - Haufe meets AI
    Weiterführende Links
    RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
    Kontakt
    Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
    Haufe Rechnungswesen Shop
    Rechnungswesen Produkte Buchführung Software und Bücher Bilanzierung & Jahresabschluss Lösungen Produkte zu Kostenrechnung Produkte zur IFRS-Rechnungslegung Haufe Shop Buchwelt

      Weitere Produkte zum Thema:

      × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

      Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

      Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

      Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

      Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren