Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer auf Gebühren nach der Elektro- und Elektronikgerätegesetz-Kostenverordnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Fragen auslaufenden oder nur übergangsweise geltenden Rechts haben trotz weiterhin anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine für die Zukunft richtungweisende Klärung von Rechtsfragen des geltenden Rechts herbeiführen soll. Eine Ausnahme gilt, wenn die Klärung der Rechtsfragen für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin von Bedeutung ist, wobei zusätzlich Anhaltspunkte für eine erhebliche Anzahl von Altfällen dargetan und ersichtlich sein müssen, dass noch eine bekannte Anzahl von Altfällen in den Tatsacheninstanzen anhängig sind, reicht dafür nicht aus.
2. Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung zur Klärung der Frage, ob vor dem 1. 1. 2007 die gesetzliche Umsatzsteuer auf die Gebühren nach der ElektroGKostV i. V. mit § 10 Abs. 1 Nr. 7 VwKostG vom Gebührenschuldner verlangt werden kann, weil die Beklagte als beliehene Unternehmerin der Umsatzsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9 UStG unterliegt, sind nach o.g. Grundsätzen nicht gegeben.
Normenkette
ElektroGKostV § 1 Abs. 1 S. 3, Abs. 2; VwKostG § 10 Abs. 1 Nr. 7; VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 9
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. März 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 664 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Rechtssache kommt nicht die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, die ihr von der Beschwerde beigemessen wird.
Die Beschwerde bezeichnet folgende Fragen als grundsätzlich bedeutsam:
“1. Unter welchen Voraussetzungen darf ein privater Beliehener die für die von ihm in Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe erbrachten Tätigkeiten an die Finanzbehörde zu entrichtende Umsatzsteuer gegenüber demjenigen geltend machen, auf dessen Veranlassung er eine (umsatzsteuerpflichtige) Amtshandlung vornimmt? Bedarf es insbesondere – auch vor dem Hintergrund, dass die Umsatzsteuer bei dem die Amtshandlung Veranlassenden lediglich einen durchlaufenden Posten darstellt – einer besonderen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung der Umsatzsteuer in einem Kostenbescheid durch den Beliehenen? Oder ergibt sich die Rechtmäßigkeit der Festsetzung der für diese Aufgaben anfallenden Umsatzsteuer in den Kostenbescheiden bereits aus dem dem Umsatzsteuerrecht zugrunde liegenden Rechtssystem?
2. Ist § 22 Abs. 1 in Verbindung mit § 17 Abs. 2 ElektroG eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Festssetzung der bei der Beschwerdeführerin anfallenden Umsatzsteuer im Kostenbescheid im Hinblick darauf, dass danach ‘kostendeckende’ Gebühren und Auslagen für ihre Amtshandlungen erhoben werden?
3. Ist § 1 Abs. 2 der ElektroGKostV a.F. i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 7 VwKostG eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Festsetzung der bei der Beschwerdeführerin anfallenden Umsatzsteuer im Kostenbescheid, insofern als auch die an die Finanzbehörden zu leistende Umsatzsteuer als erstattungsfähiger “Betrag” im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 7 VwKostG anzusehen ist?”
Die Fragen betreffen auslaufendes Recht, nachdem mit Wirkung vom 1. Januar 2007 die Elektro- und Elektronikgerätegesetz-Kostenverordnung (ElektroGKostV) vom 6. Juli 2005 – BGBl I S. 2020 – durch die Änderungsverordnung vom 19. Dezember 2006 – BGBl I S. 3277 – dahingehend geändert worden ist, dass in § 1 Abs. 1 folgender Satz 3 angefügt worden ist:
“Soweit die im Anhang 1 genannten Amtshandlungen der Umsatzsteuer unterliegen, werden die Gebühren nach dieser Verordnung zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer erhoben.”
Fragen auslaufenden oder nur übergangsweise geltenden Rechts haben trotz weiterhin anhängiger Fälle regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine für die Zukunft richtungweisende Klärung von Rechtsfragen des geltenden Rechts herbeiführen soll (vgl. z.B. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 S. 11 und vom 8. Dezember 2005 – BVerwG 6 B 81.05 – Buchholz 442.066 § 38 TKG Nr. 1 S. 2, jeweils m.w.N.). Die Beschwerde meint, ein Bedarf zur Klärung der von ihr aufgeworfenen Fragen in einem Revisionsverfahren sei dennoch weiterhin gegeben, weil derzeit noch 107 parallele Verfahren in erster Instanz anhängig seien. Außerdem lasse die neue Vorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 3 ElektroGKostV keine völlig eindeutige Beantwortung der Frage zu, ob die Festsetzung der Umsatzsteuer in den Kostenbescheiden der Beklagten rechtmäßig erfolgen könne. Wenn man nämlich in dieser Vorschrift – wovon die Beklagte allerdings nicht ausgehe – auch nur einen deklaratorischen Hinweis und nicht eine dem Gesetzesvorbehalt genügende Ermächtigungsgrundlage sehe, sei die unter der Nr. 1 aufgeworfene Frage nicht obsolet. Schließlich stellten sich die Fragen in vergleichbarer Weise auch in anderen Rechtsbereichen, in denen das anwendbare spezielle Kostenrecht keine explizite Ermächtigungsgrundlage bereithalte. Hiermit sind Gründe für die Zulassung einer Ausnahme von der Regel, dass Fragen des auslaufenden Rechts die Revisionszulassung nicht rechtfertigen, jedoch nicht dargelegt.
Anerkannt wird eine derartige Ausnahme in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn die Klärung der Rechtsfragen für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft weiterhin von Bedeutung ist, wobei zusätzlich Anhaltspunkte für eine erhebliche Anzahl von Altfällen dargetan und ersichtlich sein müssen (vgl. z.B. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 a.a.O. und vom 26. Februar 2002 – BVerwG 6 B 63.01 – Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 36 S. 29). Der Vortrag der Beschwerde, es sei noch eine bekannte Anzahl von Altfällen in den Tatsacheninstanzen anhängig, reicht dafür nicht aus. Das Bundesverwaltungsgericht hat bislang offengelassen, ob in einem derartigen Fall eine weitere Ausnahme auch dann anzuerkennen ist, wenn die Zahl der Altfälle zwar bekannt ist, aber als groß bezeichnet werden könnte (vgl. Beschlüsse vom 21. Dezember 1977 – BVerwG 7 B 109.77 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 160 und vom 27. Februar 1997 – BVerwG 5 B 155.96 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 15 S. 22). Dies kann auch im vorliegenden Fall dahinstehen. Ein Bedürfnis, die von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen zu klären, ist nämlich dann jedenfalls deswegen zu verneinen, weil der Verordnungsgeber – ersichtlich in Kenntnis der Auffassung, die das Verwaltungsgericht Ansbach in seinem Urteil vom 18. Oktober 2006 im vorliegenden Klageverfahren vertreten hat – die Streitfrage, ob die Gebührenschuldner auch ohne ausdrückliche Ermächtigung durch einen Bescheid mit der Umsatzsteuer belegt werden können, durch die Ergänzung des § 1 Abs. 1 ElektroGKostV gerade ausräumen wollte. Er hat dies dadurch getan, dass er eine Ermächtigungsgrundlage “nachgeschoben” hat. Da die Neuregelung mit Wirkung vom 1. Januar 2007 in Kraft gesetzt worden ist, hat der Verordnungsgeber auf die Anordnung einer Rückwirkung bewusst verzichtet. Dass der Verordnungsgeber mit diesem Vorgehen das Ziel verfolgt hat, die Streitfrage in den Altfällen weiterhin der gerichtlichen Klärung zu überlassen, ist nicht ersichtlich. Zumindest hat die Beschwerde für eine dahingehende Intention des Verordnungsgebers keine greifbaren Anhaltspunkte dargelegt.
Von den vorstehenden Erwägungen ausgehend erscheint es ebenso ausgeschlossen, dass sich – trotz der mit Wirkung vom 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Neuregelung – die Frage nach einer ausreichenden Ermächtigung für die Abwälzung der Umsatzsteuer durch einen Bescheid in gleicher Weise bei Sachverhalten stellen wird, in denen Gebühren auf der Grundlage der Elektro- und Elektronikgerätegesetz-Kostenverordnung erst nach dem genannten Zeitpunkt erhoben worden sind oder erhoben werden (zur Anerkennung dieser Ausnahme durch das Bundesverwaltungsgericht vgl. z.B. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 a.a.O. und vom 26. Februar 2002 a.a.O.). Die Beschwerde räumt selbst ein, dass auch sie in § 1 Abs. 1 Satz 3 ElektroGKostV eine dem Gesetzesvorbehalt genügende Ermächtigung erblickt. Warum dies dennoch weiterhin ernsthaften Zweifeln unterliegen soll, wird von ihr nicht erläutert.
Die Zulassung der Revision lässt sich entgegen der Ansicht der Beschwerde auch nicht mit der Erwägung rechtfertigen, dass es eine Vielzahl Beliehener gebe, die bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben der Umsatzsteuer unterworfen seien, und sich für die insoweit geltenden Kostenverordnungen parallele Fragestellungen ergeben würden. Die Beschwerde übersieht insofern, dass es sich dabei um Rechtsfragen handeln würde, die sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen würden. Ob etwa die von der Beschwerde ausdrücklich angesprochene Deutsche Akkreditierungs- und Zulassungsgesellschaft mbH (DAU), die auf der Grundlage von § 28 des Umweltauditgesetzes (UAG) in der Fassung vom 4. September 2002 – BGBl I S. 3490 – nach § 1 der UAG-Beleihungsverordnung (UAGBV) vom 18. Dezember 1995 – BGBl I S. 2013 – die Beleihung als Zulassungsstelle für Umweltgutachter und Umweltgutachterorganisationen erhalten hat, bei ihrer Tätigkeit als Unternehmer Lieferungen oder sonstige Leistungen im Sinne des Umsatzsteuerrecht erbringt (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 UStG), oder eine Umsatzbesteuerung ausscheidet, weil die DAU etwa als Hoheitsbetrieb (vgl. § 4 Abs. 5 KStG) anzusehen ist, hat für die angegriffene Entscheidung der Vorinstanz ebenso wenig eine Rolle gespielt wie die weitere Frage, ob die DAU auf der Grundlage der UAG-Gebührenordnung (UAGGebV) vom 4. September 2002 – BGBl I S. 3503 – eine etwaige Umsatzsteuer auf ihre Gebührenschuldner durch einen Bescheid abwälzen könnte.
Falls die Beschwerde der Meinung sein sollte, dieser Einwand könne zumindest nicht der von ihr unter Nr. 1 aufgeworfenen Frage entgegengehalten werden, weil diese Fragestellung sich ganz generell auf “die Besonderheiten des umsatzsteuerlichen Systems” beziehe, könnte ihr darin nicht gefolgt werden. Es ist daran zu erinnern, dass auch die Umsatzsteuerveranlagung dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (vgl. § 85 Satz 1 AO) unterliegt, der Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) ist (vgl. z.B. schon BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 1969 – 1 BvR 687/62 – BVerfGE 25, 216 ≪228≫). Eine Berufung auf das umsatzsteuerliche System macht aus diesem Grunde nicht die Bezeichnung einer Rechtsnorm des Umsatzsteuerrechts entbehrlich, aus der sich konkret die behauptete Rechtspflicht des Gebührenpflichtigen ergeben soll, auf der Grundlage eines Bescheids Umsatzsteuer an die Beklagte zu entrichten. Die Beschwerde benennt eine von ihr für einschlägig erachtete Rechtsnorm jedoch nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen
BFH/NV Beilage 2008, 263 |
BFH/NV-Beilage 2008, 263 |