Leitsatz
1. Die Strafverfolgungsbehörde darf zur Sicherstellung dienstrechtlicher Maßnahmen gegen einen Beamten dem Steuergeheimnis unterliegende, in einem Strafverfahren gegen diesen gewonnene Erkenntnisse dem Dienstvorgesetzten des Beamten im Rahmen des § 125c BRRG offenbaren, ohne eine vorweggenommene Prüfung der disziplinarrechtlichen Behandlung des Falls vornehmen zu müssen; erforderlich ist lediglich, dass die übermittelten Daten für eine solche disziplinarrechtliche Prüfung des Dienstherrn des Beamten von Belang sein können.
2. Eine Information des Dienstvorgesetzten über das Verfahren ist ungeachtet dessen zulässig, ob das Ermittlungsverfahren gegen den Beamten wegen Verfolgungsverjährung oder einer strafbefreienden Selbstanzeige eingestellt worden ist.
Normenkette
§ 30 Abs. 4 AO, § 125c BRRG, § 15 BDG
Sachverhalt
Ein Beamter hatte mehrere Jahre lang in seiner ESt-Erklärung einen Teil seiner freiberuflich erzielten Nebeneinkünfte verschwiegen. Von der Steuerfahndung war deshalb gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Dieses wurde jedoch bald wieder eingestellt, teilweise weil der Beamte noch rechtzeitig eine strafbefreiende Selbstanzeige abgegeben hatte, zum anderen Teil wegen Strafverfolgungsverjährung.
Das FA möchte von diesem Verfahren jedoch den Dienstvorgesetzten des Beamten unterrichten. Das FG hat ihm dies durch eine einstweilige Anordnung untersagt; es war nach eingehender disziplinarrechtlicher Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass eine disziplinarrechtliche Ahndung ebenso wenig wie eine strafrechtliche noch in Betracht kommt (EFG 2007, 1711).
Entscheidung
Der BFH hat den Beschluss des FG aufgehoben. Die in dem Ermittlungsverfahren über das steuerunehrliche Verhalten des Beamten gewonnenen Erkenntnisse können für die disziplinarrechtliche Beurteilung von Bedeutung sein; von vornherein offensichtlich ausgeschlossen ist dies jedenfalls nicht.
Sie müssen deshalb dem Dienstvorgesetzten übermittelt werden.
Ob eine disziplinarrechtliche Maßnahme gegen den Beamten zu verhängen ist, ist von dem Dienstvorgesetzten zu entscheiden und nicht etwa vom FG zu prognostizieren.
Hinweis
Das Steuergeheimnis ist in vielfacher Weise durchbrochen. Eine ausdrücklich gesetzlich geregelte Durchbrechung ergibt sich aus dem Beamtenrechtsrahmengesetz; danach soll die Strafverfolgungsbehörde ungeachtet des Steuergeheimnisses den Dienstvorgesetzten eines Beamten über die Einstellung eines Strafverfahrens gegen den Beamten unterrichten, wenn die Kenntnis von diesem Verfahren für die disziplinarrechtliche Beurteilung des Verhaltens des Beamten erforderlich ist.
§ 125c BRRG enthält ein abgestuftes System von Informationsrechten und -pflichten, wenn gegen einen Beamten strafrechtliche Ermittlungen geführt worden sind. Je nachdem, welchen Ausgang das Strafverfahren hat (Verurteilung, Anklageerhebung, Einstellung etc.), muss die Strafverfolgungsbehörde den Dienstvorgesetzten des Beamten unter spezifischen, einschränkenden Voraussetzungen informieren.
Nach § 125c Abs. 3, Abs. 2 Nr. 2 BRRG hat die Strafverfolgungsbehörde in Strafverfahren gegen Beamte dem Dienstvorgesetzten des Beamten die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung zu übermitteln, wenn deren Kenntnis aufgrund der Umstände des Einzelfalls erforderlich ist, um zu prüfen, ob dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind; dabei ist zu berücksichtigen, wie gesichert die zu übermittelnden Erkenntnisse sind. Bei einer Verfahrenseinstellung fehlt danach eine Rechtfertigung für die Unterrichtung des Dienstvorgesetzten insbesondere dann, wenn sich der strafrechtliche Anfangsverdacht gegen den Beamten als haltlos erwiesen oder das Ermittlungsverfahren ergeben hat, dass sich der Anfangsverdacht nicht erhärten lässt.
Ob gegen den Beamten tatsächlich dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind, hat die Strafverfolgungsbehörde hingegen grundsätzlich nicht zu prüfen; das Informationsbedürfnis des Dienstherrn unterstellt das Gesetz vielmehr. Nur die Übermittlung gleichsam bei Gelegenheit eines Strafverfahrens bekannt gewordener Tatsachen (§ 125c Abs. 4 BRRG) erfordert die Berücksichtigung schutzwürdiger Belange des Beamten, die der Übermittlung entgegenstehen, und die Feststellung eines zwingenden öffentlichen Interesses an der Durchbrechung des Steuergeheimnisses seitens der Strafverfolgungsbehörde. Sonst hat die Strafverfolgungsbehörde keine Vorab-Feststellung zu treffen, dass von dem Dienstherrn voraussichtlich eine dienstrechtliche Maßnahme getroffen werden wird.
Eine Unterrichtung über das eingestellte Verfahren wird allenfalls dann noch unterbleiben müssen, wenn wegen der Geringfügigkeit der gegen den Beamten erhobenen Vorwürfe offenkundig disziplinarrechtliche Maßnahmen nicht in Betracht kommen können.
Strafverfolgungsverjährung steht der Unterrichtung hingegen schon deshalb nicht entgegen, weil die disziplinarrechtlichen Vorschriften völlig andere Fristen für die Verjährung des Sanktionsanspruchs des Dienstherrn enthalten und vor allem eine Meh...