Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Die Drittwirkung gegen einen Haftungsschuldner gilt auch bei einer widerspruchslosen Anmeldung zur Insolvenztabelle.
Sachverhalt
Der Kläger war Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Bei dieser Gesellschaft fand im Herbst 2009 eine Steuerfahndungsprüfung statt, da die Gesellschaft Umsatzsteuer hinterzogen haben sollte. Aufgrund der getroffenen Feststellungen wurden die Umsatzsteuerfestsetzungen für Dezember 2008 und März 2009 geändert. Die GmbH legte hiergegen Einspruch ein. Im März 2010 drohte das Finanzamt dem Kläger die Haftungsinanspruchnahme an. Der Kläger wurde aufgefordert, Unterlagen zur Ermittlung der Tilgungsquote einzureichen. Ende März 2010 wurde ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH beantragt. Im April 2010 nahm das Finanzamt den Kläger bei einer angenommenen Tilgungsquote von 80 % i. H. v. 64.000 EUR in Haftung, wogegen der Kläger Einspruch einlegte. Im Juni 2010 meldete das Finanzamt seine Forderungen gegen die GmbH zur Tabelle an. Diese Anmeldung wurde nicht bestritten, sodass das Finanzamt die Einsprüche als erledigt ansah. Den Kläger forderte das Finanzamt auf, seinen Einspruch gegen den Haftungsbescheid zu begründen. Hierauf legte der Kläger dar, warum aus seiner Sicht die Umsatzsteuerforderung, die Grundlage des Haftungsbescheids war, nicht begründet sei. Das Finanzamt wies den Einspruch mit dem Hinweis ab, dass sich der Kläger die rechtskräftige Eintragung zur Tabelle zurechnen lassen müsse. Hinsichtlich der Umsatzsteuer sei ein Widerspruch gegen die Anmeldung erforderlich gewesen. Der Kläger erhob Klage und verwies darauf, dass die Hinnahme der Anmeldung ihm gegenüber nicht gelte, da er im Namen der GmbH Einspruch eingelegt habe.
Entscheidung
Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen, da das Finanzamt, so das FG Rheinland-Pfalz, den Kläger zu Recht in Haftung genommen habe. Als Geschäftsführer der GmbH hafte er gem. § 69 AO, wenn er gegen steuerliche Pflichten verstoßen habe. Dies sei hier der Fall, da die GmbH die zutreffende Umsatzsteuer nach den Feststellungen der Steuerfahndung nicht entrichtet habe. Das Ermessen hinsichtlich der Haftungsinanspruchnahme sowie der Grundsatz der anteiligen Tilgung seien zutreffend ausgeübt worden. Nach § 166 AO könne sich der Kläger auch nicht auf Einwendungen berufen, die gegen die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide zu erheben seien. Zwar habe der Kläger als er noch Geschäftsführer der GmbH war, gegen diese Bescheide Einspruch eingelegt, doch seien diese Einspruchsverfahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen worden und anschließend mit der widerspruchslosen Eintragung zur Tabelle erledigt gewesen. Damit sei es nicht mehr möglich, Einwendungen gegen die Umsatzsteuer im Haftungsverfahren zu erhebe.
Hinweis
§ 166 AO, der die Drittwirkung von Steuerbescheiden betrifft, hat 2 Alternativen. Neben dem Gesamtrechtsnachfolger trifft die Drittwirkung auch denjenigen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Die 2. Fallgruppe kommt dabei vor allem in Haftungsfällen zum Tragen (Frotscher, in Schwarz, AO, § 166 AO Rz. 1, 8 ff.). Voraussetzung ist dabei, dass die Steuerfestsetzung gegen den Steuerpflichtigen nicht mehr angefochten werden kann und der in Haftung genommene zum Zeitpunkt der Anfechtbarkeit eine Möglichkeit zur Anfechtung gehabt hätte. Die Besonderheit des Falls lag hier aber darin, dass der Kläger zwar zunächst Einspruch eingelegt hat, sich dieses Verfahren aber durch die Eintragung in die Insolvenztabelle erledigt hat bzw. die Steuerforderung unanfechtbar geworden ist. Zu diesem Zeitpunkt allerdings hatte der Kläger keine Einflussmöglichkeit mehr auf den Verfahrensgang. Gleichwohl entschied das FG - und dies nach dem reinen Gesetzeswortlaut wohl zutreffend - müsse sich der Kläger die Höhe der Umsatzsteuerschuld zurechnen lassen. Angesichts der Tatsache, dass bei der GmbH in der Zwischenzeit ein Insolvenzverwalter das Sagen hatte, der weniger Interesse daran gehabt haben dürfte, das Einspruchsverfahren zu betreiben, ist diese Entscheidung gleichwohl als misslich anzusehen.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.02.2014, 3 K 1283/12