Leitsatz
1. Die auf einem vollständig ausgefüllten amtlichen Vordruck erklärte und eigenhändig unterschriebene Abtretungsanzeige wird wirksam, wenn sie dem FA per Telefax zugeht (Änderung der Senatsrechtsprechung).
2. Das FA kann gegen einen Anspruch auf Investitionszulage mit Ablauf des Wirtschaftsjahrs, in dem die Investitionen vorgenommen worden sind, mit fälligen Steuerforderungen aufrechnen. Auf den Zeitpunkt der Festsetzung oder Fälligkeit der Investitionszulage kommt es nicht an.
3. Ein Aufrechnungs- oder Verrechnungsvertrag kommt nicht schon dadurch zustande, dass das FA einem dem Investitionszulageantrag beigefügten Antrag auf Stundung fälliger Steuern zur Verrechnung mit der noch festzusetzenden Investitionszulage durch zinslose Stundung der Steuern entspricht.
Normenkette
§ 37 Abs. 2, § 38, § 46, § 222, § 226 AO
Sachverhalt
Zur Sicherung eines Darlehens war am 03.01.2002 von dem Steuerpflichtigen der erwartete Anspruch auf Investitionszulage 2001 abgetreten worden. Diese wurde im April tatsächlich gewährt und – nach teilweiser Verrechnung mit Steuerschulden – an die Zessionarin ausgezahlt. Diese hatte im Übrigen formgerechte Abtretungsanzeige dem FA im Februar per Telefax übersandt. Die Steuerschulden des Zedenten hatte das FA zum erheblichen Teil auf dem Investitionszulageantrag beigefügten Antrag im Wege der "Verrechnungsstundung" gestundet.
Später hat das FA gegen die Zessionarin einen Rückforderungsbescheid erlassen wegen der nur in Kopie vorgelegten Abtretungsanzeige. Es hält an diesem fest, auch nachdem ihm das Original vorgelegt worden ist.
Entscheidung
Der BFH hat das stattgebende Urteil des FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.07.2009, 14 K 2532/04, Haufe-Index 2197483, EFG 2009, 1614) bestätigt. Der Rückforderungsbescheid ist rechtswidrig, weil die Abtretung formgerecht angezeigt worden ist und die Verrechnungsstundung die Auszahlung der Investitionszulage an die Zessionarin nicht wegen Unwirksamkeit der Abtretung als Leistung an eine Nichtberechtigte erscheinen lässt.
Hinweis
1. Die Abtretung von Steueransprüchen wird bekanntlich erst wirksam, wenn sie der Gläubiger der zuständigen Finanzbehörde unter Angabe des Abtretenden, des Abtretungsempfängers sowie der Art und Höhe des abgetretenen Anspruchs und des Abtretungsgrunds auf einem vom Abtretenden und vom Abtretungsempfänger unterschriebenen amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzeigt (§ 46 Abs. 2 und 3 AO), wobei die Rechtsprechung i.d.R. auch die Übersendung der Abtretungsanzeige durch den Zessionar genügen lässt (vermutete Ermächtigung). Was meint das Gesetz mit der – ungewöhnlichen – Formulierung "auf" amtlichem Vordruck? Reicht es aus, wenn die Anzeige auf einem solchen Vordruck erstellt, jedoch nicht dieser selbst übersandt, sondern (gleichsam ein Bild desselben) per Fax übermittelt wird? Der BFH hatte das im Urteil vom 13.10.1987, VII R 166/84 (BFH/NV 1988, 416) verneint. Er hat diese Rechtsprechung jetzt ausdrücklich aufgegeben, weil Sinn und Zweck der vorgenannten Vorschrift eine solche Formalie zu verlangen nicht geboten erscheinen lassen: die Übermittlung von Schriftstücken mittels elektronischer Medien wie dem Fax (auch z.B. bestimmender Schriftsätze im Gerichtsverfahren) ist mittlerweile allgemein üblich und als wirksam anerkannt. Warum sollte es bei einer Abtretungsanzeige anders sein? Der Gewinn an Rechtssicherheit wäre gering; bestehen Zweifel an der Echtheit der Unterschrift, wird diese die Finanzbehörde ohnehin nicht "auf der Stelle" und mit eigenen Mitteln klären können (sondern ggf. das Original der Erklärung anfordern und zur Prüfung an Fachleute weiterleiten müssen).
2. Eine technische Stundung (auch Verrechnungsstundung genannt) wird vom FA im Allgemeinen (zinslos) gewährt, wenn einer Steuerforderung (mit einiger Sicherheit) ein (bereits entstandener) Vergütungsanspruch (hier: ein Investitionszulageanspruch) gegenübersteht, der bloß noch nicht genau berechnet und festgesetzt ist.
3. Gewährt das FA eine solche Stundung, hindert das den Berechtigten nicht, seine für die spätere Verrechnung mit seinen Steuerschulden vorgesehene Forderung abzutreten. Denn eine Verrechnungsstundung ist keine Aufrechnung und enthält eine Aufrechnungserklärung auch nicht etwa stillschweigend. Allenfalls könnte man daran denken, dass das FA mit dem Stundungsantragsteller einen Verrechnungsvertrag schließen will. Aber auch eine solche Konstruktion muss, wenn man sie genau durchdenkt, zweifellos aus mehreren Gründen scheitern.
4. Ob das FA bei Gewährung einer Verrechnungsstundung Gefahr läuft, eine Aufrechnungsmöglichkeit zu verlieren (wenn die Hauptforderung während des Stundungszeitraums abgetreten wird), hängt vom Verständnis des in diesem Zusammenhang zu beachtenden § 406 BGB ab: Kommt es bei Anwendung dieser Vorschrift auf die erste Fälligkeit der Gegenforderung oder auf die aktuelle (durch Stundung einstweilen beseitigte) Fälligkeit bei Fälligwerden der Hauptforderung an? So hat es der BFH in dem Urteil vom 25.04.1989, VII R 36/87 (Haufe-Index ...