Leitsatz
Dem EuGH wird folgende Frage zur Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG vorgelegt:
Liegt in einem Fall, in dem ein Leasingnehmer das geleaste Auto im Namen und für Rechnung des Leasinggebers bei Tankstellen betankt, eine Treibstofflieferung des Leasinggebers an den Leasingnehmer vor und ist diese Lieferung an dem in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG genannten Lieferort zu versteuern oder geht die "Weiterlieferung" in der nach Art. 9 der Richtlinie 77/388/EWG zu besteuernden Dienstleistung des Leasinggebers auf?
Normenkette
§ 1 UStG 1980/1991/1993 , § 3 UStG 1980/1991/1993 , § 3a UStG 1980/1991/1993 , § 15 Abs. 1 UStG 1980/1991/1993 , § 18 Abs. 9 UStG 1980/1991/1993 , § 59 UStDV , Art. 5 6. EG-RL , Art. 6 6. EG-RL , Art. 8 Abs. 1 6. EG-RL , Art. 9 6. EG-RL ,
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt in den Niederlanden ein Leasingunternehmen, das Leasingnehmern Fahrzeuge überlässt. Neben den monatlichen Leasingraten können die Leasingnehmer im Rahmen einer "Übereinkunft über Kraftstoffverwaltung" auf Rechnung der Klägerin Kraftstoff tanken. Die Leasingnehmer können hierfür eine auf den Namen der Klägerin ausgestellte Tankkreditkarte benutzen. Monatlich rechnet die Klägerin 1/12 der voraussichtlichen Benzinkosten zzgl. einer anteiligen Gebühr für die Kraftstoffverwaltung ab. Am Jahresende wird der tatsächliche Verbrauch abgerechnet. Die Klägerin begehrt den Vorsteuerabzug aus den Kraftstoffkosten deutscher Unternehmer im Rahmen des Vorsteuervergütungsverfahrens. Unstreitig versteuert die Klägerin ihre gesamten Leasingleistungen "einschließlich der Kraftstoffkosten" in den Niederlanden.
Entscheidung
Der BFH neigt zu der Auffassung, die deutschen Mineralölgesellschaften hätten den Treibstoff an die Klägerin geliefert. Damit stände ihr der Vorsteuerabzug im Rahmen des Vorsteuervergütungsverfahrens gem. §§ 59 ff. UStDV zu, wenn sie den Treibstoff im Rahmen ihrer Leasingdienstleistungen an die Leasingnehmer "weitergeliefert" hätte. Der Leistungsort der einheitlichen Dienstleistung läge dann gem. § 3 Abs. 1 UStG in den Niederlanden.
Muss dagegen die Weiterlieferung des Kraftstoffs als eigene selbstständige Lieferung bewertet werden, hätte die Klägerin gem. § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG im Inland diese Lieferungen an die Leasingnehmer bewirkt und wäre damit für den Vorsteuerabzug auf das normale Veranlagungsverfahren angewiesen.
Die Anrufung des EuGH wird mit Rücksicht auf eine mögliche Doppelbesteuerung dieses Vorgangs in den Niederlanden und Deutschland begründet, weswegen der BFH nicht alleine entscheiden könne.
Hinweis
Der deutsche Rechtsanwender wird sich immer mehr darauf einstellen müssen, dass das deutsche Umsatzsteuerrecht nicht mehr länger eine rein nationale Angelegenheit ist. Vielmehr hat sich jede Rechtsfrage in ihrer Interpretation an den Vorgaben der sechsten Richtlinie auszurichten und sind die Grundsätze der Vermeidung von Wettbewerbverzerrungen infolge möglicher Doppelbesteuerungen oder unterlassener Besteuerungen zu beachten.
Der BFH hat daher im vorliegenden Fall zu Recht die Frage nach der Einheitlichkeit der Leistung nicht selbst entschieden, sondern den EuGH angerufen, da nämlich die Niederlande die Treibstofflieferung als Bestandteil der Dienstleistung "Leasing" bewerten und folglich in den Niederlanden der Umsatzsteuer unterwerfen, müsste eine Entscheidung des BFH zugunsten einer Besteuerung im Inland eine Doppelbesteuerung mit Wettbewerbsnachteilen auslösen. Es bleibt nur zu hoffen, dass die anderen Mitgliedstaaten – allen voran gerade auch die Niederlande – ähnlich europäisch denken.
In der Sache selbst geht es vordergründig um die Frage, ob die Klägerin sich im Inland registrieren lassen muss, um ihren Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen beanspruchen zu können, oder ob sie das Vorsteuervergütungsverfahren in Anspruch nehmen kann. Die Beantwortung dieser Frage hängt jedoch davon ab, ob die Lieferungen des Kraftstoffs von den deutschen Mineralölfirmen als Reihengeschäftslieferungen zu behandeln sind.
Bei Annahme eines Reihengeschäfts läge die warenbewegte Lieferung von den Mineralölfirmen an die Klägerin vor, der Ort bestimme sich gem. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG und läge im Inland. Die nachfolgenden Lieferungen der Klägerin an ihre Leasingnehmer wären die nicht warenbewegten Lieferung, deren Ort sich nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG bestimmen würde und ebenfalls im Inland läge. Damit wäre für die Klägerin das Vorsteuervergütungsverfahren ausgeschlossen. Voraussetzung für diese Falllösung wäre aber, dass man die Treibstofflieferungen nicht als Bestandteil der einheitlichen Dienstleistungen "Leasing" bewerten würde, wie dies augenscheinlich die niederländischen Finanzbehörden bewerten.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 22.2.2001, V R 26/00