Dipl.-Finw. (FH) Roland Ronig
11.1.1 Überblick
Die Verlustverrechnung für Kapitaleinkünfte, für die der Abgeltungsteuersatz anzuwenden ist, ergibt sich aus § 20 Abs. 6 EStG.
- Die Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 EStG greift nicht für Kapitaleinkünfte, die nach § 32d Abs. 2 Nr. 1-3 EStG tariflich besteuert werden.
- Das Verlustverrechnungsverbot gilt demgegenüber, wenn ein Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG gestellt wurde (Günstigerprüfung) und sämtliche Kapitalerträge der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen sind. Hierbei gibt es eine Besonderheit: Verluste aus Kapitalvermögen, die dem Abgeltungsteuersatz unterliegen, können im Rahmen der Günstigerprüfung mit positiven Kapitaleinkünften, die der tariflichen ESt unterliegen, verrechnet werden.
Übersicht zu § 20 Abs. 6 EStG
Satz 1-3 |
Allgemeine Verlustverrechnungsregelung (Verrechnung nur mit positiven Kapitaleinkünften; darüber hinaus: Verlustvortrag) |
gilt ab 2009 |
Satz 4 |
Aktienveräußerungsverluste (Verrechnung nur mit Aktienveräußerungsgewinnen; darüber hinaus: Verlustvortrag) |
gilt ab 2009 |
Satz 5 |
Termingeschäftsverluste (Verrechnung nur mit Termingeschäftsgewinnen und Stillhalterprämien, max. 20.000 EUR p. a.; darüber hinaus: Verlustvortrag max. 20.000 EUR) |
gilt ab 2021 |
Satz 6 |
Verluste aus wertlosen Kapitalanlagen (Verrechnung mit anderen Kapitaleinkünften, max. 20.000 EUR p. a.; darüber hinaus: Verlustvortrag max. 20.000 EUR) |
gilt ab 2020 |
11.1.2 Allgemeine Verlustverrechnungsregelung
Positive und negative Kapitaleinkünfte werden grundsätzlich im laufenden Jahr miteinander verrechnet. Verbleiben hiernach Verluste aus Kapitalvermögen, dürfen diese nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Der Gesetzgeber lässt lediglich den Verlustvortrag innerhalb der Einkunftsart des § 20 EStG zu. Ein Verlustrücktrag ist ausgeschlossen.
Der Erbe kann einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvortrag nach § 20 Abs. 6 EStG nicht bei seiner eigenen Einkommensteuerveranlagung geltend machen.
Ehegattenübergreifende Verlustverrechnung
In der Vergangenheit erfolgte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung bei zusammenveranlagten Ehegatten/Lebenspartnern eine "ehegattenübergreifende" Verlustverrechnung. Eine solche ist für den Kapitalertragsteuerabzug ausdrücklich gesetzlich geregelt.
Im Jahr 2021 hat der BFH demgegenüber entschieden, dass nicht ausgeglichene Verluste eines Ehegatten aus Kapitalvermögen im Rahmen einer Veranlagung der Kapitalerträge zum gesonderten Tarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG mangels Rechtsgrundlage nicht ehegattenübergreifend mit positiven Kapitalerträgen des anderen Ehegatten verrechnet werden können.
Entsprechendes gilt für eingetragene Lebenspartnerschaften.
Mit dem JStG 2022 wurde die ehegattenübergreifende Verlustverrechnung durch Änderung des § 20 Abs. 6 Satz 3 EStG auch für Zwecke der Einkommensteuerveranlagung gesetzlich fixiert.
11.1.3 Aktienveräußerungsverluste
Für Aktienveräußerungsverluste gilt ein eigenes Verrechnungsverbot. Diese dürfen nur mit Aktienveräußerungsgewinnen ausgeglichen bzw. verrechnet werden.
Da das Verlustverrechnungsverbot ausdrücklich nur für Aktienveräußerungsverluste gilt, sind ähnliche Investitionen wie z. B. Aktienzertifikate, Aktienfonds (so die Gesetzesbegründung), oder Bezugsrechte hiervon nicht betroffen. Demgegenüber fallen ADR's (American Depositary Receipts) unter das Verrechnungsverbot des § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG.
Verluste aus Aktien vs. Aktienfonds
A |
EUR |
|
Verluste aus Aktien |
./. 1.000 |
(Verlustvortrag) |
Zinsen |
1.500 |
|
Anzusetzende Kapitaleinnahmen |
1.500 |
(vor Abzug des Sparer-Pauschbetrags) |
B |
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Verluste aus Aktienfonds ./. 1.000 (Teilfreistellung nach § 20 InvStG 30 %) |
./. 700 |
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Zinsen |
1.500 |
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Anzusetzende Kapitaleinnahmen |
800 |
(vor Abzug des Sparer-Pauschbetrags) |
Bei Vergleichsberechnungen von Verlusten aus Aktien und Aktienfonds ist ab 2018 die Teilfreistellung nach § 20 InvStG einzubeziehen.
Verlustverrechnungsregelung für Aktienverkäufe verfassungswidrig?
Nach Auffassung des BFH ist diese Regelung nicht verfassungskonform. Der BFH hat daher eine Entscheidung des BVerfG eingeholt, da aus seiner Sicht hierbei der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist. Das Az beim BVerfG lautet 2 BvL 3/21. Betroffene Steuerfestsetzungen ergehen insoweit vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO. Anleger sollten prüfen, ob für nicht ausgeglichene Aktienveräußerungsverluste beim Kreditinstitut eine Verlustbescheinigung beantragt werden sollte, damit im Falle einer Verfassungswidrigkeit die Verlustverrechnung in der Einkommensteuerveranlagung erfolgen kann.