Leitsatz
1. Die Auflösung von Rücklagen zu Zwecken außerhalb eines Betriebs gewerblicher Art (BgA) führt zu Einkünften aus Kapitalvermögen der Trägerkörperschaft. Dies gilt auch für Gewinne des BgA, die im ersten Jahr der Geltung des KStG i.d.F. des StSenkG vom 23.10.2000 erwirtschaftet wurden. Die Annahme, der Gewinn des BgA und die Einkünfte aus Kapitalvermögen würden gleichzeitig erzielt, gilt nicht für einen nach den Eigenbetriebsgesetzen der Länder geführten BgA (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 11.7.2007, I R 105/05, BFH/NV 2007, 1988, BStBl II 2007, 841).
2. Gewinne eines als Eigenbetrieb geführten BgA, deren Überführung in den allgemeinen Haushalt noch nicht beschlossen wurde und die auch nicht ohne einen entsprechenden Beschluss tatsächlich an die Trägerkörperschaft zur allgemeinen Verwendung geleistet wurden (vGA), führen noch nicht zu Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b EStG, sondern gelten als den Rücklagen zugeführt.
3. In die Verwendungsrechnung des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG sind – von Kapitalherabsetzungen abgesehen – sämtliche Transferleistungen des Eigenbetriebs an seine Trägerkörperschaft, die nicht auf der Grundlage eines steuerlich anzuerkennenden (fiktiven) gegenseitigen Vertrags erbracht werden, einzubeziehen. Allein der Ausschüttungsbeschluss führt zu einem Abfluss der entsprechenden Leistung beim BgA und damit zu einer Minderung des steuerlichen Einlagekontos.
4. Der KapESt werden sachverhaltsbezogen nur einzelne Einkünfte unterworfen. Das FG kann daher nicht im Wege der Saldierung einen in einem KapESt-Bescheid nicht enthaltenen Sachverhalt erfassen.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3, § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b, § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c, § 44 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 44 Abs. 6 Sätze 1, 2 und 4 EStG 2002, § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 4, § 27 Abs. 7, § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002
Sachverhalt
Der Kläger ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (ein Landkreis). Er unterhielt mit einem Eigenbetrieb seit 1991 einen Betrieb BgA "Jugend- und Freizeiteinrichtungen" i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 Abs. 1 KStG. Der Eigenbetrieb unterliegt den Vorschriften des Hessischen Eigenbetriebsgesetzes. Dem BgA zugeordnet sind als gewillkürtes Betriebsvermögen Aktien an einem Energieunternehmen. Die Hälfte dieser Anteile wurde im Mai 2002 zu einem Preis von rd. 53 Mio. EUR veräußert. Der BgA erzielte hieraus einen außerordentlichen Ertrag i.H.v. rd. 41 Mio. EUR.
Der Kreistag beschloss am 23.9.2002 folgende Ausschüttung des BgA an den Kläger:
Allgemeine Rücklage |
rd. 16 Mio. EUR |
Bilanzgewinn bis einschließl. 2000 |
rd. 3,6 Mio. EUR |
Bilanzgewinn 2001 |
rd. 7 Mio. EUR |
Vorabausschüttung Jahresgewinn 2002 |
rd. 7,6 Mio. EUR |
Herabsetzung Stammkapital auf 0 EUR |
rd. 2,7 Mio. EUR |
Summe |
rd. 37 Mio. EUR |
Zugleich beschloss der Kreistag, das Stammkapital von rd. 2,7 Mio. EUR auf 0 EUR herabzusetzen. Die auszuzahlenden Beträge wurden aus dem Verkaufserlös der Aktien finanziert.
Der BgA erwirtschaftete im Jahr 2002 einen Jahresgewinn von rd. 40 Mio. EUR. Mit Beschluss des Kreistages vom 24.2.2003 wurde das Stammkapital des BgA auf 2 Mio. EUR neu festgesetzt und aus Eigenmitteln (Gewinnen) finanziert. In einem weiteren Beschluss des Kreistags vom 24.2.2003 wurde in Ergänzung des Beschlusses vom 23.9.2002 beschlossen, dem Kläger zusätzlich einen Rückzahlungsanspruch gegen den BgA i.H.v. rd. 4,4 Mio.EUR einzuräumen, sodass der (Brutto-)Ausschüttungsbetrag insgesamt rd. 41 Mio. EUR betrug.
Der Kläger meldete mit Steueranmeldung für Oktober 2002 rd. 1,6 Mio. EUR KapESt zzgl. SolZ an. Darin wertete er als kapitalertragsteuerpflichtig den Bilanzgewinn 2001 sowie die Vorabausschüttung des Jahresgewinns 2002. Das FA war hingegen der Auffassung, auch die Rückzahlung des Stammkapitals sei kapitalertragsteuerpflichtig und setzte mit Änderungsbescheid KapESt für 2002 i.H.v. rd. 1,9 Mio. EUR fest. Dem lag als Bemessungsgrundlage die Summe der Ausschüttungen aus der Vorabausschüttung 2002 (rd. 7,6 Mio. EUR), des Bilanzgewinns 2001 (rd. 6,9 Mio. EUR) und der Herabsetzung des Stammkapitals (rd. 2,7 Mio. EUR) i.H.v. rd. 17,3 Mio. EUR zugrunde, woraus sich ein Ausschüttungsbetrag einschließlich KapESt von rd. 19 Mio. EUR und eine KapESt von rd. 1,9 Mio. EUR ergab.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger eine Festsetzung der KapESt auf rd. 855.000 EUR. Er war nunmehr der Auffassung, nur die Vorabausschüttung des Jahresgewinns 2002 führe zu kapitalertragsteuerpflichtigen Einkünften.
Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das FG die KapESt 2002 auf rd. 1.2 Mio. EUR festsetzte. Im Übrigen wies es die Klage ab. Es hielt die Vorabausschüttung des Jahresgewinns 2002 und den Rückzahlungsanspruch für kapitalertragsteuerpflichtig. Der Gewinn 2002 sei den Rücklagen zugeführt worden. Die Ausschüttung der übrigen Beträge führe nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen (Hessisches FG, Urteil vom 7.10.2009, 4 K 3240/06, Haufe-Index 2340367, EFG 2010, 1319).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache zur weiter...