Leitsatz
1. Fußballschiedsrichter sind selbständig tätig und nehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil.
2. Ein international tätiger Schiedsrichter begründet am jeweiligen Spielort keine Betriebsstätte.
3. Bei den von Schiedsrichtern erzielten Einkünften handelt es sich nicht um solche eines Sportlers.
Normenkette
§ 2, § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG, § 10, § 12 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 AO, § 1 Abs. 1, Abs. 2 LStDV, Art. 17 OECD-MustAbk
Sachverhalt
Der Kläger war in den Streitjahren (2001 bis 2003) als Fußballschiedsrichter sowohl im Inland als auch im Ausland tätig (Veranstaltungen sowohl vom DFB als auch von FIFA und UEFA). Das FA setzte einen Gewerbesteuermessbetrag fest. Die Klage war erfolgreich (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.7.2014, 1 K 2552/11, Haufe-Index 7335086, EFG 2014, 2065).
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Hinweis
1. Die Entscheidung ordnet die Tätigkeit eines Fußballschiedsrichters der gewerblichen Tätigkeit ("Gewerbebetrieb") zu; in diesem Zusammenhang wird eine Betriebsstätte am jeweiligen Spielort abgelehnt und eine abkommensrechtliche Zuordnung zu den sog. Sportlereinkünften (Besteuerungsrecht des Tätigkeitsorts) abgelehnt. Folge: Der gesamte aus der Schiedsrichtertätigkeit erzielte Gewinn (in- und ausländische Erträge; Betriebsausgaben) unterliegt der (inländischen) Gewerbesteuer.
2. Der BFH erörtert zunächst "lehrbuchartig" die einzelnen (streitigen) Tatbestandsmerkmale der gewerblichen Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG; § 15 Abs. 2 EStG).
Dabei geht es insbesondere um die Selbstständigkeit. Insoweit wird zur Abgrenzung auf § 1 Abs. 1 LStDV zum Arbeitnehmerbegriff verwiesen. Hier war der Kläger nicht arbeitszeitbezogen tätig, vielmehr erzielte er eine Vergütung jeweils nur nach veranstaltungsbezogener Tätigkeit. Damit war er unter Inkaufnahme eines erheblichen Unternehmerrisikos "unabhängig" vom jeweiligen Veranstalter tätig. Eine Einbindung in die organisatorischen Rahmenbedingungen der jeweiligen Veranstaltung hindert diese Einordnung (und eine eigenständige Unternehmerinitiative) nicht.
Es bestand auch eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Insbesondere wäre auch nicht hinderlich gewesen, wenn der Kläger nur gegenüber einem Veranstalter aufgetreten wäre. Insoweit betont der BFH (wenn auch insoweit "nicht entscheidungserheblich", aber in Abweichung von der Rechtsauffassung von DFB und Finanzverwaltung(!) – dort: § 22 Nr. 3 EStG), dass sich bereits eine Schiedsrichtertätigkeit für einen Landes- oder Nationalverband (wie etwa den DFB) bei der gebotenen, an der Verkehrsanschauung orientierten Gesamtbetrachtung als unternehmerische Marktteilnahme darstellt.
3. Die vom Kläger durch die im Ausland geleiteten Spiele erzielten Gewinne unterliegen der Gewerbesteuer. Denn ein Unternehmen, das ausschließlich im Inland eine Betriebsstätte unterhält, unterliegt mit seiner gesamten Tätigkeit der Gewerbesteuer, auch wenn diese nicht im Inland ausgeübt oder verwertet wird (Rückschluss aus § 9 Nr. 3 GewStG).
Eine solche Betriebsstätte (§ 12 AO) ist insbesondere die Stätte der Geschäftsleitung (§ 12 Satz 2 Nr. 1, § 10 AO). Dabei erinnert der BFH daran, dass jedes gewerbliche Unternehmen somit zumindest eine, am Ort der Geschäftsleitung zu lokalisierende Betriebsstätte hat, welcher im Zweifel und bei Fehlen einer anderweitigen zusätzlichen Betriebsstätte der gesamte Unternehmensgewinn zuzurechnen ist. Ist keine andere feste Geschäftseinrichtung vorhanden, so ist regelmäßig die Wohnung des Geschäftsleiters ungeachtet des Umstandes, ob diese dem Privatvermögen zuzuordnen ist, als Geschäftsleitungsbetriebsstätte anzusehen, wenn dort die geschäftliche Planung vorgenommen wird.
Insoweit waren keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass für die Geschäftsleitungstätigkeit des Klägers (insbesondere für die Planung der Spielleitungen) neben seinem Wohnsitz ein weiterer Bezugspunkt (im Ausland) vorhanden war, oder dass dem Kläger für seine Tätigkeit eine feste Geschäftseinrichtung (etwa in Form einer festen Trainingseinrichtung) im Ausland zur Verfügung stand. Auch die "Schiedsrichterkabine" am Veranstaltungsort reicht schon aufgrund der lediglich vorübergehenden Nutzung nicht aus.
4. Das damit begründete innerstaatliche Besteuerungsrecht wird nicht nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) ausgeschlossen.
Der BFH nimmt dabei (im Unterschied zum FG – dort war mit Blick auf den Sitz des Veranstalters FIFA/UEFA nur auf das DBA-Schweiz verwiesen worden) alle Veranstaltungsorte in den Blick, verneint aber eine Zuordnung zur Abkommensbestimmung nach dem sog. Künstler- und Sportlerartikel (vergleichbar Art. 17 OECD-MustAbk). Denn es liegt bei einer Interpretation des Anwendungsbereichs der Norm nach Maßgabe des Sachzusammenhangs keine Tätigkeit "als Sportler" vor. Zwar wird die Schiedsrichtertätigkeit von den Zuschauern des Fußballspiels wahrgenommen – sie ermöglicht aber lediglich anderen Personen, einen sportlichen Wet...