Leitsatz
Die Einlage eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft ist mit den Anschaffungskosten zu bewerten, wenn der Steuerpflichtige an der Gesellschaft im Zeitpunkt der Einlage wesentlich i.S.v. § 17 EStG beteiligt ist.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Buchst. b, § 17 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
An einer Besitz-GbR waren Vater und Kinder beteiligt, während die Anteile am Stammkapital der Betriebs-GmbH von 200 000 DM zu 75 % der Vater und zu 25 % die Mutter hielten. Mit dem Tod des Vaters wurden Mutter und Kinder Erben. Den GmbH-Anteil der Mutter behandelte die GbR nach einer Beanstandung bei einer Betriebsprüfung als Sonderbetriebsvermögen der Mutter und bilanzierte ihn mit dem Teilwert zum Todestag des Vaters. Im Streitjahr 1995 nahm die GbR eine Teilwertabschreibung von 373 000 DM vor.
Das FA war der Auffassung, die Beteiligung der Mutter sei zu den Anschaffungskosten von 50 000 DM eingelegt worden. Die Teilwertabschreibung bemaß das FA auf 44 669 DM. Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG München, Urteil vom 10.03.2005, 15 K 4392/03, Haufe-Index 1343902, EFG 2005, 1342).
Entscheidung
Der BFH wies auch die Revision der GbR zurück.
Hinweis
1. Der Fall betrifft zwar die Rechtslage vor 1999, hat aber Bedeutung auch für die heutige Rechtslage, nach der eine wesentliche Beteiligung i.S.d. § 17 EStG bereits bei 1 % der Anteile vorliegt. Im Streitjahr 1995 lag die Wesentlichkeitsgrenze bei mehr als 25 % der Anteile. Deshalb war die streitige Beteiligung der Mutter mit genau 25 % nicht wesentlich i.S.d. § 17 EStG.
2. Damals wie heute kann es geschehen, dass eine Beteiligung durch Hinzuerwerb einer anderen Beteiligung die Wesentlichkeitsgrenze übersteigt. Dies kann selbst ohne Willen des Steuerpflichtigen geschehen, insbesondere – wie hier – im Erbfall.
Wird die Beteiligung später veräußert, stellt sich die Frage, ob und ggf. welche stillen Reserven in der ursprünglich unwesentlichen Beteiligung zu besteuern sind. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, die vom BVerfG bestätigt worden ist (Beschluss vom 03.05.2005, 2 BvR 736/03, Beilage BFH/NV 2005, 362), gilt auch für die früher unwesentliche Beteiligung der historische Anschaffungskostenbegriff, sodass alle seit Anschaffung der Beteiligung entstandenen stillen Reserven beim Hineinwachsen in die Wesentlichkeit steuerverstrickt werden. Nach Meinung des VIII. Senats des BFH soll dies sogar in den Fällen gelten, in denen allein die gesetzliche Senkung der Mindestbeteiligungsgrenze auf 10 % bzw. 1 % zum Hineinwachsen in die Wesentlichkeit geführt hat (BFH, Urteil vom 01.03.2005, VIII R 92/03, BFH/NV 2005, 964, BFH/PR 2005, 256). Gegen diese Entscheidung schwebt noch ein Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem BVerfG (2 BvR 753/05).
3. Hier ging es allerdings nicht um eine Veräußerung der Beteiligung, sondern um deren Einlage in ein Betriebsvermögen. Die Einlage erfolgte zwangsweise, weil die Mutter mit dem Erbfall Gesellschafterin der Besitz-GbR wurde und dadurch ihre Beteiligung an der Betriebs-GmbH die Eigenschaft von notwendigem Sonderbetriebsvermögen II erhielt. Der BFH ordnet solche Beteiligungen grundsätzlich dem Sonderbetriebsvermögen zu.
Mit der Einlage stellt sich das Problem ihrer Bewertung. Hierzu enthält § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Buchst. b EStG eine Sonderregel, nach der der ansonsten obligatorische Teilwert nach oben durch die historischen Anschaffungskosten begrenzt wird, wenn es sich um eine wesentliche Beteiligung i.S.d. § 17 EStG handelt. Damit soll sichergestellt werden, dass auch bei einer Einlage in das Betriebsvermögen die gesamten stillen Reserven seit Erwerb steuerverstrickt bleiben. Mit dem Besprechungsurteil entscheidet sich der BFH für eine Gleichbehandlung der Einlage mit einer Veräußerung: Auch bei erst im Zeitpunkt der Einlage entstehender Wesentlichkeit werden die stillen Reserven der bisher unwesentlichen Beteiligung durch Ansatz der historischen Anschaffungskosten steuerverstrickt.
Dies gilt übrigens entgegen dem Gesetzeswortlaut auch bei bis zur Einlage eingetretenen Verlusten, die beim Ansatz des niedrigeren Teilwerts steuerlich unbeachtlich bleiben würden. Der BFH bewertet die Einlage aber auch im Verlustfall mit den Anschaffungskosten, sodass die stillen Lasten damit ins Betriebsvermögen übernommen werden (BFH, Urteil vom 25.07.1995, VIII R 25/94, Haufe-Index 65477, BStBl II 1996, 684).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 05.06.2008 – IV R 73/05