Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Begibt sich ein Arbeitnehmer von seiner ersten Tätigkeitsstätte aus auf eine mehrtätige Auswärtstätigkeit, kann er die Entfernungspauschale nach einem neuen Urteil des Finanzgerichts Münster nur für den Tag der Hinfahrt zur Tätigkeitsstätte abziehen. Für den Tag der einfachen Rückfahrt gewährte das Gericht keinen Kostenabzug.
Sachverhalt
Ein angestellter Flugbegleiter begab sich im Jahr 2014 häufig auf mehrtägige Flugreisen (Auswärtstätigkeiten). Vor Beginn dieser Einsätze fuhr er von seiner Wohnung aus seine erste Tätigkeitsstätte an (einfacher Hinweg an dem Tag), nach seiner Rückkehr ein paar Tage später fuhr er von seiner Tätigkeitsstätte wieder zurück zu seiner Wohnung (einfacher Rückweg an diesem Tag). Vor dem Finanzgericht wollte der Mann durchsetzen, dass ihm sowohl für die Tage des einfachen Hinwegs als auch für die Tage des einfachen Rückwegs die volle Entfernungspauschale (0,30 EUR pro Entfernungskilometer) zugestanden wird. Daneben vertrat er den Standpunkt, dass sein Stammbeschäftigungsort überhaupt keine erste Tätigkeitsstätte war, sodass die dort beginnenden und endenden Fahrten ohnehin nach Dienstreisegrundsätze mit 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer abziehbar sein müssten.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage des Flugbegleiters ab. Zunächst einmal ging das Gericht davon aus, dass sein Beschäftigungsort eine steuerlich anzuerkennende erste Tätigkeitsstätte war, weil dieser Ort vom Arbeitgeber im Arbeitsvertrag festgelegt worden war (= dienst- und arbeitsrechtliche Festlegung i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG). Zwar hatte der Arbeitgeber den Beschäftigungsort im Arbeitsvertrag nur mit einer ungenauen Ortsangabe benannt - diese "Unschärfe" eröffnete nach Gerichtsmeinung aber gleichwohl keinen Fahrtkostenabzug nach Dienstreisegrundsätzen, weil bei fehlender erster Tätigkeitsstätte die Auffangnorm des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a Satz 3 EStG eingreifen würde, nach der Fahrten zu typischerweise aufzusuchenden "Sammelpunkten" ebenfalls nur im Wege der Entfernungspauschale abgesetzt werden können.
Weiter urteilte das Finanzgericht, dass die Entfernungspauschale bei den mehrtägigen Flugreisen nur für den Tag der einfachen Hinfahrt zur ersten Tätigkeitsstätte (in voller Höhe) abgezogen werden darf und für den Tag der einfachen Rückfahrt kein Abzug in Betracht kommt. Das Gericht stützte sich dabei auf den Wortlaut des EStG, nach dem die Entfernungspauschale für jeden Arbeitstag gilt, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht. Hieraus leitete das Finanzgericht ab, dass nur die Hinfahrt zur Tätigkeitsstätte entscheidend ist. Würde man einem Arbeitnehmer sowohl für Tage der einfachen Hinfahrt zur Tätigkeitsstätte als auch für Tage der einfachen Rückfahrt jeweils die volle Entfernungspauschale gewähren, würde es zu einer unzulässigen Bevorteilung kommen, da der Arbeitnehmer an jedem der Tage nur die Kosten für eine einfache Fahrt getragen hat.
Hinweis
Sowohl in der Literatur als auch in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung wird die (abweichende) Auffassung vertreten, dass sowohl für Tage des einfachen Hinwegs zur Tätigkeitsstätte als auch für Tage des einfachen Rückwegs von der Tätigkeitsstätte jeweils ein Abzug der hälftigen Entfernungspauschale (0,15 EUR je Entfernungskilometer) erfolgen kann. Bezogen auf den Urteilfall macht diese Berechnungsweise keinen Unterschied. Bildet man allerdings den Fall, dass ein Arbeitnehmer seine mehrtägige Auswärtstätigkeit zwar von der ersten Tätigkeitsstätte aus antritt, nach dessen Ende jedoch unmittelbar zuhause abgesetzt wird, wäre die Berechnungsweise des Finanzgerichts Münster im dargestellten Urteil günstiger, weil der Arbeitnehmer dann für den Tag der tatsächlich unternommenen Hinfahrt die volle Entfernungspauschale erhält. Die Revision gegen das Urteil ist beim BFH unter dem Az. VI R 42/17 anhängig.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 14.07.2017, 6 K 3009/15 E