Leitsatz

Eine unmittelbare Beteiligung i.S. des § 43b Abs. 2 Satz 1 EStG liegt auch dann vor, wenn diese Beteiligung unter Zwischenschaltung einer vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten GbR gehalten wird. Maßgebend ist die steuerrechtliche Bruchteilsbetrachtung des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO.

 

Normenkette

§ 43b, § 50d Abs. 1 und 3, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 8b Abs. 4 KStG, Art. 3 Abs. 1, Art. 5 MTR 2011, Art. 13 DBA-Niederlande 1959

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine nach dem Recht der Niederlande gegründete Genossenschaft mit Sitz in den Niederlanden. Sie ist seit 2013 zu mindestens 10 % an einer vermögensverwaltenden X-GbR beteiligt. Weiterer Gesellschafter der X-GbR ist eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, an der fast ausschließlich natürliche Personen beteiligt sind. Die X-GbR hält ihrerseits 100 % der Anteile an der inländischen Y-AG. Die Zwischenschaltung der X-GbR war aus regulatorischen Gründen erforderlich.

Die Y-AG nahm im Jahr 2014 eine Gewinnausschüttung vor; ein Teil entfiel auf die Klägerin. Hiervon behielt die Y-AG Kapitalertragsteuer i.H.v. 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag ein und führte sie an das zuständige FA ab. Die Klägerin stellte daraufhin beim BZSt einen Antrag auf vollständige Freistellung und Erstattung gemäß § 50d Abs. 1 i.V.m. § 43b EStG, hilfsweise einen Antrag auf Freistellung und Erstattung gemäß § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. Art. 13 Abs. 4 des DBA-Niederlande, der eine Beschränkung der Kapitalertragsteuer auf 10 % vorsieht.

Mit Bescheid vom 22.1.2015 setzte das BZSt die Freistellung/Erstattung auf lediglich 10 % der Ausschüttung zuzüglich des gesamten Solidaritätszuschlags fest. Grundlage sei die in Art. 13 Abs. 1 bis 3 DBA-Niederlande 1959 vorgesehene Beschränkung der Kapitalertragsteuer.

Ein Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das daraufhin angerufene FG gab der Klage in vollem Umfang statt (FG Köln, Urteil vom 13.9.2017, 2 K 2933/15, Haufe-Index 11395001, EFG 2018, 383)

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des BZSt mit Beschluss gemäß § 126a FGO zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Praxis-Hinweise verwiesen.

 

Hinweis

1. Der BFH ist der Auffassung des BMF in einer für international tätige Unternehmen wichtigen Frage entgegengetreten: Die Zwischenschaltung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft ist für den Anspruch auf vollständige Abzugssteuerentlastung gemäß § 43b EStG unschädlich.

2. In Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie (MTR) hat der Gesetzgeber § 43b EStG geschaffen. Danach können EU-ausländische Muttergesellschaften bei qualifizierter Beteiligung verlangen, dass auf Dividendenausschüttungen ihrer inländischen Tochtergesellschaften – unabhängig von etwaigen Regelungen in DBA – keine Kapitalertragsteuer erhoben wird.

3. Im Unterschied zum Wortlaut der MTR enthält § 43b Abs. 2 Nr. 2 EStG das Erfordernis einer unmittelbaren Beteiligung am Kapital der Tochtergesellschaft. Fraglich ist, ob die Zwischenschaltung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (hier GbR) zu einer nur mittelbaren Beteiligung und damit zur tatbestandlichen Unanwendbarkeit des § 43b EStG führt.

4. Im Streitfall war eine vermögensverwaltende GbR zwischen die inländische Tochteraktiengesellschaft und die niederländische Genossenschaft geschaltet, weshalb das BZSt die vollständige Quellensteuerentlastung verweigerte. Der BFH hat dies nun als rechtswidrig qualifiziert. Er konnte sich insbesondere auf einen Beschluss des Großen Senats des BFH stützen, der zum Tatbestand der erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG jüngst die dogmatischen Grundlagen der steuerlichen Behandlung vermögensverwaltender Personengesellschaften nochmals instruktiv aufgezeigt hatte (Großer Senat des BFH, Beschluss vom 25.9.2018, GrS 2/16, BFH/NV 2019, 475, BFH/PR 2019, 135). Danach greift im Streitfall die sog. Bruchteilsbetrachtung gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO: In ertragsteuerlicher Hinsicht werden die zum Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft gehörenden Wirtschaftsgüter – und damit auch die im Streitfall fragliche Beteiligung an der inländischen Kapitalgesellschaft – den Gesellschaftern der Personengesellschaft, im Streitfall also der niederländischen Genossenschaft, anteilig zugerechnet. Wegen dieser Zurechnung ist im steuerlichen Sinn daher von einer unmittelbaren Beteiligung der EU-ausländischen Muttergesellschaft auszugehen.

5. Gegen diese steuerliche Betrachtung konnte von Seiten der Finanzverwaltung jetzt nur noch eingewendet werden, dass dem § 43b EStG ein zivilrechtliches Verständnis des Merkmals "unmittelbare Beteiligung" zugrunde liege. Zwar kommt einer GbR seit der Grundsatzentscheidung des BGH aus dem Jahr 2001 eine eigene Rechtssubjektivität zu, sodass der GbR selbst und nicht den hinter ihr stehenden Gesellschaftern zivilrechtlich betrachtet die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zusteht. Doch lässt § 43b EStG nicht erkennen, dass abweichend von der auf § 39 AO beruhenden steuerrechtlichen Sichtweise diese zivilrechtliche Sichtweise gelten so...

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