Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
* Entschädigungszahlungen Dritter sind Sonderbetriebseinnahmen des Gesellschafters, wenn sie dessen Arbeitsausfall abgelten sollen und durch den Betrieb der Gesellschaft veranlasst sind. Das ist bei einer Aufwandsentschädigung anzunehmen, die eine Berufskammer ihrem ehrenamtlich tätigen Präsidenten zahlt, der Mitunternehmer eines Handwerksbetriebs ist.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG , § 24 Nr. 1a EStG
Sachverhalt
Die Klägerin – eine KG – unterhielt einen Handwerksbetrieb. B war mit einem Anteil von 20 % Mitunternehmer. B war außerdem ehrenamtlicher Präsident einer Handwerkskammer. Von dieser erhielt er eine Entschädigung, die gewährleisten sollte, dass er "sein Handwerk" weiterhin aktiv betreiben kann und dem Tagesgeschehen verbunden bleibt.
Das FA behandelte die Aufwandsentschädigung als Sonderbetriebseinnahme des B und erhöhte den Gewinn der Klägerin unter Abzug eines jährlichen Aufwands von 3.600 DM (Abschnitt 14 Abs. 4 Satz 3 LStR 1996) entsprechend. Die Klage blieb erfolglos (EFG 2003, 1538).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das Urteil. Er verteidigte sein Urteil vom 26.2.1988, III R 241/84 (BStBl II 1988, 615) gegenüber der Kritik mit dem Hinweis, dass die Entschädigung Sondervergütung i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sei, weil sie an deren Stelle trete. Zu den von der Klägerin zu tragenden betrieblichen Nachteilen zählten nicht nur die unmittelbar durch das Ehrenamt veranlassten Aufwendungen, sondern auch die dadurch typisierend anzunehmenden Einnahmeausfälle. Dies begründe den erforderlichen Zusammenhang von Entschädigung und Gewerbebetrieb der Klägerin.
Hinweis
1. Die Entscheidung ist vor allem aus systematischen Gründen bemerkenswert. Der BFH hat die Aufwandsentschädigung, die die Handwerkskammer dem Gesellschafter einer KG dafür bezahlt hat, dass er der KG seine Arbeitskraft und Arbeitszeit wegen seiner Tätigkeit als Kammerpräsident nicht zur Verfügung stellen konnte, als Sondervergütung behandelt und sie damit dem Sonderbetriebsbereich I zugeordnet. Das ist aber nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG und der ständigen Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nur zulässig, wenn die Leistung des Gesellschafters in den Verfügungsbereich der Gesellschaft übergeht und die Gegenleistung hierfür Aufwand bei der Gesellschaft wird (vgl. u.a. BFH, Urteil vom 6.7.1999, VIII R 46/94, BStBl II 1999, 720; HG DStR 1998, 677). Beides war hier nicht der Fall.
2. Um trotzdem zu Sondervergütungen zu kommen, muss man die Rechtsprechung des BFH zu mittelbaren Leistungen und Gegenleistungen über Drittunternehmen heranziehen. Diese besagt, dass der Umweg über Dritte die primäre Leistungsbeziehung des Gesellschafters zu "seiner" Personengesellschaft nicht verdecken kann (zu mittelbaren Leistungen über Dritte vgl. u.a. Schmidt, EStG, 23. Auflage, § 15 Rz. 607 m.w.N. und – allgemein – BFH, Beschluss vom 9.6.1997 GrS 1/94, BStBl II 1998, 307 zu C.3.). Deshalb sind die gleichzeitig zwischen Gesellschaft, Gesellschafter und Drittem vollzogenen Leistungen genau zu prüfen. Diese Prüfung ergibt, dass auch hier letztlich mittelbare Leistungen vorliegen: Zwar hat der Gesellschafter seine Leistung nicht gegenüber der Gesellschaft, sondern gegenüber der Handwerkskammer als Drittem erbracht; er hat aber wegen dieser Leistung gleichzeitig und mit Duldung der Gesellschafter die dieser zustehende Dienstleistung unterlassen. Für die dadurch entstandenen betrieblichen Nachteile wurde die Aufwandsentschädigung gezahlt.
In Höhe des Gegenwerts der unterlassenen Dienstleistung hätte die Gesellschaft einen Ersatzanspruch geltend machen können, wenn sie darauf nicht im Vorhinein verzichtet hätte. Es besteht also ein hinreichender Veranlassungszusammenhang zwischen dem Einnahmeausfall bei der Klägerin und der dafür unmittelbar an den Gesellschafter gezahlten Entschädigung. Damit erweist sich das Urteil als weiterer Beitrag zur Besteuerung der Personengesellschaften im Bereich des Sonderbetriebsvermögens I.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.6.2004, VIII R 72/03