Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfasst Entschädigungen, die "entgangene oder entgehende Einnahmen" ersetzen (Einnahmenersatz), nicht aber solche, die Ausgaben ausgleichen.
Normenkette
§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG
Sachverhalt
K erzielte im Streitjahr (2006) u.a. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem Gesamt-Objekt mit neun Reihenhäusern. Diese waren seit Juli 2001 für zehn Jahre an die Bundesrepublik Deutschland (umsatzsteuerfrei, § 4 Nr. 7 UStG) vermietet; sie wurden von niederländischen Streitkräften bewohnt. Der Vorsteuerabzug aus den Baukosten i.H.v. insgesamt 131.805,18 EUR wurde im Jahr der Erstattung (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG) von K als Einnahme versteuert. Die Mietverträge wurden im Streitjahr aufgehoben. Nach den Aufhebungsverträgen erhielt K pro Einzel-Objekt "für die vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses und der sich daraus für den Vermieter (K) ergebenden finanziellen Nachteile (z.B. USt-Rückzahlung) und Risiken (z.B. Anschlussvermietung) ... eine einmalige Zahlung" i.H.v. insgesamt 147.918 EUR "als Abgeltungsbetrag". FA und FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 1.9.2010, 2 K 306/08, Haufe-Index 2648359, EFG 2011, 1066) sahen darin den nicht begünstigten Ersatz von möglichen Aufwendungen und nicht den Ersatz für entgehende Einnahmen.
Entscheidung
Der BFH bestätigte diese Würdigung. Nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der Verträge durch das FG sollten die gezahlten Beträge gem. der Aufhebungsverträge aus der Sicht des K zu erwartende Aufwendungen (Werbungskosten) abgelten, und zwar unabhängig vom tatsächlichen späteren Anfall solcher Aufwendungen.
Hinweis
1. Nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG einem ermäßigten Steuersatz unterliegende Entschädigungen sind nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG Leistungen, die "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" gewährt werden, d.h. an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen treten.
2. Das Gesetz erfasst damit nur Entschädigungen, die Einnahmen ersetzen, nicht aber solche, die Ausgaben ausgleichen. Ersatz "für entgangene oder entgehende Einnahmen" bedeutet: die Einnahmen sind gar nicht erst angefallen, sondern ausgefallen oder der Ausfall (künftig) entgehender Einnahmen ist zu erwarten. Der Steuerpflichtige hat die entsprechenden Einnahmen nicht – oder noch nicht – erhalten. Deshalb werden zunächst erhaltene (zugeflossene) und danach zurückzuzahlende oder zurückgezahlte Einnahmen ebenso wenig von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfasst wie Ausgaben bzw. Aufwendungen oder als solche zu behandelnde negative Einnahmen.
3. Ob die Entschädigung im konkreten Fall als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen, für zurückgezahlte Einnahmen oder für andere Nachteile als Ausgabenausgleich gezahlt wird, ist grundsätzlich aus der Sicht der Vertragsparteien vom FG als Tatsacheninstanz zu beurteilen; dazu ist der Inhalt der Entschädigungsvereinbarung, erforderlichenfalls im Wege der Auslegung, heranzuziehen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.10.2011 – IX R 58/10