Entscheidungsstichwort (Thema)
Leasing, Immobilienleasing, Abgrenzung zwischen Lieferung und Dienstleistung, Bemessungsgrundlage, Rückgabe des Leasinggegenstandes
Leitsatz (amtlich)
1. Art. 2 Abs. 1, Art. 14 und Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass, wenn ein Leasingvertrag über eine Immobilie vorsieht, dass das Eigentum an der Immobilie am Ende der Vertragslaufzeit auf den Leasingnehmer übertragen wird oder dass der Leasingnehmer über wesentliche Elemente des Eigentums an dieser Immobilie verfügt, insbesondere, dass die mit dem rechtlichen Eigentum an der Immobilie verbundenen Chancen und Risiken zum überwiegenden Teil auf ihn übertragen werden und die abgezinste Summe der Leasingraten praktisch dem Verkehrswert des Gegenstands entspricht, der aus einem solchen Vertrag resultierende Umsatz mit dem Erwerb eines Investitionsguts gleichzusetzen ist.
2. Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er es einem Steuerpflichtigen nicht erlaubt, seine Besteuerungsgrundlage zu vermindern, wenn er alle Zahlungen für die von ihm erbrachte Leistung tatsächlich erhalten hat oder wenn der Vertragspartner, ohne dass der Vertrag aufgelöst oder annulliert worden wäre, ihm den vereinbarten Preis nicht mehr schuldet.
3. Der Grundsatz der Steuerneutralität ist dahin auszulegen, dass es mit ihm vereinbar ist, dass zum einen eine Leasingleistung, die sich auf Immobilien bezieht, und zum anderen der Verkauf dieser Immobilien an einen am Leasingvertrag nicht beteiligten Dritten im Hinblick auf die Mehrwertsteuer einer getrennten Besteuerung unterliegen, sofern diese Umsätze nicht als eine einheitliche Leistung angesehen werden können, was zu beurteilen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 2 Abs. 1, Art. 14, 24 Abs. 1, Art. 90 Abs. 1
Beteiligte
Verfahrensgang
Vrhovno sodisce Republike Slovenije (Slowenien) (Beschluss vom 16.04.2014; ABl. EU 2014, Nr. C 202/15) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen ‐ Leasingvertrag ‐ Rückgabe einer geleasten Immobilie an den Leasinggeber ‐ Begriff ‚der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung‘ ‐ Anspruch des Leasinggebers auf Minderung der Steuerbemessungsgrundlage ‐ Doppelbesteuerung ‐ Mehrere Leistungen ‐ Grundsatz der Steuerneutralität“
In der Rechtssache C-209/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vrhovno sodišče (Slowenien) mit Entscheidung vom 16. April 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 25. April 2014, in dem Verfahren
NLB Leasing d.o.o.
gegen
Republika Slovenija
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter), A. Arabadjiev, J. L. da Cruz Vilaça und C. Lycourgos,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der NLB Leasing d.o.o., vertreten durch den Steuerberater J. Podlipnik,
‐ der slowenischen Regierung, vertreten durch T. Mihelič Zitko als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Soulay, L. Lozano Palacios und M. Zebre als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1, Art. 14, Art. 24 Abs. 1 und Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der NLB Leasing d.o.o. (im Folgenden: NLB) und der Republika Slovenija, vertreten durch das Ministrstvo za finance (Finanzministerium), über dessen Weigerung, NLB zu gestatten, eine Berichtigung der aufgrund des Abschlusses zweier Leasingverträge entrichteten Mehrwertsteuer vorzunehmen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 2 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
a) Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;
…
c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt;
…“
Rz. 4
Art. 14 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„(1) Als ‚Lieferung von Gegenständen‘ gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
(2) Neben dem in Absatz 1 genannten Umsatz gelten folgende Umsätze als Lieferung von Gegenständen:
…
b) die Übergabe eines Gegenstands auf Grund eines Vertrags, der die Vermietung eines Gegenstands während eine...