Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuerrecht. Mehrwertsteuer. Minderung der Steuerbemessungsgrundlage. Im Urteil vom 24. Oktober 1996, Elida Gibbs (C-317/94, EU:C:1996:400), aufgestellte Grundsätze. Lieferungen von Arzneimitteln. Gewährung von Rabatten. Hypothetischer Charakter der Vorlagefrage. Unzulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 90 Abs. 1
Beteiligte
Verfahrensgang
Tenor
Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass eine in einem Mitgliedstaat niedergelassene Apotheke nicht zur Minderung ihrer Steuerbemessungsgrundlage berechtigt ist, wenn sie Lieferungen pharmazeutischer Produkte als in diesem Mitgliedstaat von der Mehrwertsteuer befreite innergemeinschaftliche Lieferungen an eine gesetzliche Krankenkasse mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat erbringt und den bei dieser Krankenkasse versicherten Personen einen Rabatt gewährt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Oktober 2019, in dem Verfahren
Firma Z
gegen
Finanzamt Y
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Kumin sowie der Richter T. von Danwitz und P. G. Xuereb (Berichterstatter),
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Firma Z, vertreten durch Rechtsanwalt A. Erdbrügger,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und S. Eisenberg als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, ursprünglich vertreten durch R. Lyal und R. Pethke, dann durch R. Pethke, als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, berichtigt im ABl. 2007, L 335, S. 60) sowie des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Firma Z, einem Unternehmen, das in den Niederlanden einen Versandhandel mit Arzneimitteln betreibt, und dem Finanzamt Y (Deutschland) über die Minderung der Steuerbemessungsgrundlage im Fall von Nachlässen auf die Preise verschreibungspflichtiger, von den Niederlanden nach Deutschland gelieferter Humanarzneimittel.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 2006/112 heißt es:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
- Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;
der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt
i) durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, oder durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, wenn der Verkäufer ein Steuerpflichtiger ist, der als solcher handelt, für den die Mehrwertsteuerbefreiung für Kleinunternehmen gemäß den Artikeln 282 bis 292 nicht gilt und der nicht unter Artikel 33 oder 36 fällt;
…”
Rz. 4
Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Umsätzen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.
Falls sie solche Tätigkeiten ausüben oder Umsätze bewirken, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Umsätze jedoch als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Die Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten in Bezug auf die in Anhang I genannten Tätigkeiten in jedem Fall als Steuerpflichtige, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.”
Rz. 5
Art. 20 der Richtlinie sieht vor:
„Als ‚innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen’ gilt die Erlangung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen beweglichen körperlichen Gegenstand zu verfügen, der durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung befand, an den Erwerber versandt oder befördert wird.
…”
Rz. 6
Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 besagt:
„Abweichend von Artikel 32 gilt als Ort einer Lieferung von Gegenständen, die durch den Lieferer oder für dessen Rechnung von einem anderen Mitgliedstaat als dem der Beendigung der Versendung oder Beförder...