Entscheidungsstichwort (Thema)
Fusionsrichtlinie, Grenzüberschreitender Austausch von Anteilen, Besteuerung eines Einbringungsgewinns, Doppelte Buchwertverknüpfung beim grenzüberschreitenden Anteilsaustausch
Leitsatz (amtlich)
Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, steht einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der ein Austausch von Anteilen dazu führt, dass bei den Gesellschaftern der erworbenen Gesellschaft der Einbringungsgewinn in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den ursprünglichen Anschaffungskosten der eingebrachten Anteile und ihrem Verkehrswert besteuert wird, sofern die erwerbende Gesellschaft nicht den historischen Buchwert der eingebrachten Anteile in ihrer eigenen Steuerbilanz ansetzt.
Normenkette
EWGRL 434/90 Art. 8 Abs. 1-2
Beteiligte
Finanzamt Stuttgart-Körperschaften |
Verfahrensgang
Tatbestand
Richtlinie 90/434/EWG Grenzüberschreitender Austausch von Anteilen - Steuerliche Neutralität - Voraussetzungen - Art. 43 EG und 56 EG Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, nach denen die Fortführung des Buchwerts der eingebrachten Anteile für die erhaltenen neuen Anteile und damit die steuerliche Neutralität der Einbringung davon abhängt, dass dieser Buchwert in der Steuerbilanz der ausländischen erwerbenden Gesellschaft angesetzt wird - Vereinbarkeit
In der Rechtssache C-285/07
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 7. März 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Juni 2007, in dem Verfahren
A.T.
gegen
Finanzamt Stuttgart-Körperschaften,
Beteiligter:
Bundesministerium der Finanzen,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, E. Levits und J. J. Kasel,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von A.T., vertreten durch die Rechtsanwälte M. Schaden und H. Winkler sowie Professor W. Schön,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. November 2008
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (ABl. L 225, S. 1, im Folgenden: Richtlinie), sowie der Art. 43 EG und 56 EG.
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen A.T. und dem Finanzamt Stuttgart-Körperschaften (im Folgenden: Finanzamt) über dessen Entscheidung, im Rahmen eines grenzüberschreitenden Austauschs von Anteilen einen Einbringungsgewinn zu besteuern.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Ihrem ersten Erwägungsgrund zufolge besteht das Ziel der Richtlinie 90/434 darin, sicherzustellen, dass Umstrukturierungsvorgänge (wie Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und der Austausch von Anteilen), die Gesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten betreffen, nicht durch besondere Beschränkungen, Benachteiligungen oder Verfälschungen aufgrund von steuerlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten behindert werden.
4
Hierzu schafft die Richtlinie ein System, nach dem die genannten Vorgänge als solche nicht Anlass zu einer Besteuerung geben dürfen. Etwaige mit diesen Vorgängen zusammenhängende Wertzuwächse können grundsätzlich besteuert werden, aber nur zu dem Zeitpunkt, zu dem sie tatsächlich realisiert werden.
5
Die ersten vier Erwägungsgründe sowie der neunte Erwägungsgrund der Richtlinie 90/434 lauten:
„Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensanteilen und der Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, können notwendig sein, um binnenmarktähnliche Verhältnisse in der Gemeinschaft zu schaffen und damit die Errichtung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten. Sie dürfen nicht durch besondere Beschränkungen, Benachteiligungen oder Verfälschungen aufgrund von steuerlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten behindert werden. Demzufolge müssen wettbewerbsneutrale steuerliche Regelungen für diese Vorgänge geschaffen werden, um die Anpassung von Unternehmen an die Erfordernisse des Gemeinsamen Marktes, eine Erhöhung ihrer Produktivität und eine Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Eb...