Entscheidungsstichwort (Thema)
In einem anderen Mitgliedstaat belegenes landwirtschaftliches Vermögen, Verbot einer ungünstigeren Methode zur Bewertung des Vermögens
Leitsatz (amtlich)
Art. 73b Abs. 1 EG-Vertrag (jetzt Art. 56 Abs. 1 EG) in Verbindung mit Art. 73d EG-Vertrag (jetzt Art. 58 EG) ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die für die Berechnung der Steuer auf einen Nachlass, der aus in diesem Staat belegenem Vermögen und einem in einem anderen Mitgliedstaat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Vermögensgegenstand besteht,
‐ vorsieht, dass der in diesem anderen Mitgliedstaat belegene Vermögensgegenstand mit seinem gemeinen Wert angesetzt wird, während für einen gleichartigen inländischen Vermögensgegenstand ein besonderes Bewertungsverfahren gilt, dessen Ergebnisse durchschnittlich nur 10 v. H. dieses gemeinen Werts erreichen, und
‐ die Anwendung eines gegenstandsbezogenen Freibetrags sowie die Berücksichtigung des verbliebenen Werts lediglich in Höhe von 60 v. H. inländischem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen vorbehält.
Normenkette
EWGVtr Art. 73b Abs. 1, Art. 73d; EGVtr Art. 56 Abs. 1, Art. 58
Beteiligte
Finanzamt Kusel-Landstuhl |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Freier Kapitalverkehr ‐ Art. 73b und 73d EG-Vertrag (jetzt Art. 56 EG und 58 EG) ‐ Erbschaftsteuer ‐ Bewertung des zum Nachlass gehörenden Vermögens ‐ Land- und forstwirtschaftlicher Vermögensgegenstand in einem anderen Mitgliedstaat ‐ Ungünstigere Methode zur Bewertung des Vermögensgegenstands und zur Berechnung der Steuerbelastung“
In der Rechtssache C-256/06
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 11. April 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Juni 2006, in dem Verfahren
Theodor Jäger
gegen
Finanzamt Kusel-Landstuhl
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter L. Bay Larsen (Berichterstatter), K. Schiemann und J. Makarczyk sowie der Richterin C. Toader,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Jäger, vertreten durch Rechtsanwältin K. Cronauer,
‐ des Finanzamts Kusel-Landstuhl, vertreten durch M. Trauten als Bevollmächtigten,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. September 2007
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 73b und 73d EG-Vertrag (jetzt Art. 56 EG und 58 EG).
2
Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Jäger und dem Finanzamt Kusel-Landstuhl (im Folgenden: Finanzamt) über die Berechnung der auf einen Nachlass zu entrichtenden Steuer, der aus in Deutschland belegenem Vermögen und einem land- und forstwirtschaftlichen Grundstück in Frankreich besteht, insbesondere über die Vorschriften betreffend die Bewertung dieses Vermögens.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrags [Artikel aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam] (ABl. L 178, S. 5) mit der Überschrift „Nomenklatur für den Kapitalverkehr gemäß Artikel 1 der Richtlinie“ umfasst 13 Kategorien von Kapitalverkehr.
4
Zur elften Kategorie („Kapitalverkehr mit persönlichem Charakter“) zählt u. a. eine Rubrik mit der Bezeichnung „Erbschaften und Vermächtnisse“.
Nationales Recht
Anwendung der Erbschaftsteuer auf in einem anderen Mitgliedstaat belegenes Vermögen
5
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der im BGBl. 1997 I S. 378 veröffentlichten Fassung unterliegt der gesamte Vermögensanfall bei einer Person mit Wohnsitz im Inland zur Zeit der Entstehung der Steuer der Erbschaftsteuerpflicht. Ihr unterliegt auch das Auslandsvermögen.
6
§ 21 ErbStG regelt für die Zwecke der Berechnung der Erbschaftsteuer in Deutschland die Anrechnung in einem anderen Staat entrichteter Erbschaftsteuer, wenn kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vorliegt. § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bestimmt:
„Bei Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer ‐ ausländische Steuer ‐ herangezogen werden, ist in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 1, sofern nicht die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden sind, auf Antrag die festgesetzte, auf den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt.“
7
§ 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG sieht vor:
„Besteht der Erwerb n...