Entscheidungsstichwort (Thema)
Mutter-Tochter-Richtlinie, Betriebsausgabenbeschränkung i.Z.m. Beteiligung an ausländischer Tochtergesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Die Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ausgelegt im Licht von Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG), steht einer nationalen Vorschrift entgegen, nach der bei der Besteuerung der Gewinne einer in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Muttergesellschaft die Kosten, die mit einer von dieser gehaltenen Beteiligung an dem Kapital einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Tochtergesellschaft verbunden sind, nur dann abzugsfähig sind, wenn diese Kosten mittelbar der Erzielung von Gewinnen dienen, die in dem Mitgliedstaat, in dem die Muttergesellschaft niedergelassen ist, steuerpflichtig sind.
Normenkette
EWGRL 435/90; EG Art. 43 (früher Art. 52 EGVtr)
Beteiligte
Staatssecretaris van Financiën |
Verfahrensgang
Hoge Raad (Niederlande) (Urteil vom 11.04.2001) |
Tatbestand
Niederlassungsfreiheit - Steuerwesen - Körperschaftsteuer - Beschränkung der Abzugsfähigkeit der mit der Beteiligung einer Muttergesellschaft an ihren Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten zusammenhängenden Kosten - Kohärenz des Steuersystems
In der Rechtssache C-168/01
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Bosal Holding BV
gegen
Staatssecretaris van Financiën
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) und 58 EG-Vertrag (jetzt Artikel 48 EG) sowie der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Wathelet sowie der Richter C. W. A. Timmermans, D. A. O. Edward (Berichterstatter), P. Jann und S. von Bahr,
Generalanwalt: S. Alber,
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Abteilungsleiterin,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Bosal Holding BV, vertreten durch F. C. de Hosson, advocaat,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins als Bevollmächtigten und R. Singh, QC,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und H. van Vliet als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Bosal Holding BV, vertreten durch Rechtsanwalt F. C. de Hosson, der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. E. Collins, R. Singh und M. Hoskins, Barrister, sowie der Kommission, vertreten durch R. Lyal und H. van Vliet, in der Sitzung vom 11. Juli 2002,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. September 2002
folgendes
Urteil
1.
Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 11. April 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 19. April 2001, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) und 58 EG-Vertrag (jetzt Artikel 48 EG) sowie der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 225, S. 6; im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2.
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Bosal Holding BV (im Folgenden: Bosal), einer in den Niederlanden ansässigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (besloten vennootschap), und dem Inspecteur van de Belastingdienst/Grote ondernemingen Arnhem (Finanzamt für Großunternehmen Arnheim; im Folgenden: Inspecteur) über dessen Weigerung, von den steuerpflichtigen Gewinnen dieser Gesellschaft die mit ihren Beteiligungen an ihren in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften zusammenhängenden Kosten in Höhe von 3 969 339 NLG abzuziehen.
Rechtlicher Rahmen
Die Gemeinschaftsregelung
3.
Artikel 52 Absatz 1 EG-Vertrag bestimmt:
Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats werden während der Übergangszeit nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen schrittweise aufgehoben. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.
4.
Artikel 58 Absatz 1 EG-Vertrag lautet:
Für die Anwendung dieses Kapitels stehen die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung inn...