Entscheidungsstichwort (Thema)
DBA EU-Schweiz, Einkommensteuer, Steuerbefreiung, Nebenberufliche Lehrtätigkeit bei schweizer Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmungen über die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer des am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die einem gebietsansässigen unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Staatsangehörigen, der von seinem Recht auf Freizügigkeit für eine nebenberufliche Lehrtätigkeit als Arbeitnehmer im Dienst einer in der Schweiz ansässigen juristischen Person des öffentlichen Rechts Gebrauch gemacht hat, keine Steuerbefreiung für die Einnahmen aus dieser Arbeitnehmertätigkeit gewährt, während eine solche Befreiung gewährt worden wäre, wenn die genannte Tätigkeit im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in diesem Mitgliedstaat, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 Anwendung findet, ausgeübt worden wäre.
Normenkette
DBA EU-Schweiz; Freizügigkeitsabkommen EG-Schweiz
Beteiligte
Peter Radgen, Lilian Radgen |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerrecht ‐ Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit ‐ Gleichbehandlung ‐ Einkommensteuer ‐ Steuerbefreiung für Einnahmen aus einer nebenberuflichen Lehrtätigkeit im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 Anwendung findet ‐ Regelung eines Mitgliedstaats, die diese Befreiung für Einnahmen aus einer solchen Tätigkeit im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in der Schweiz ausschließt“
In der Rechtssache C-478/15
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Baden-Württemberg (Deutschland) mit Entscheidung vom 15. Juli 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 8. September 2015, in dem Verfahren
Peter Radgen,
Lilian Radgen
gegen
Finanzamt Ettlingen
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter C. G. Fernlund (Berichterstatter) und E. Regan,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und W. Roels als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichneten Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl. 2002, L 114, S. 6, im Folgenden: Freizügigkeitsabkommen).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Peter Radgen und seiner Frau Lilian Radgen (im Folgenden zusammen: Eheleute Radgen), deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in Deutschland, und dem Finanzamt Ettlingen (Deutschland, im Folgenden: Finanzamt) wegen dessen Weigerung, Einnahmen von Herrn Radgen aus einer nebenberuflichen Lehrtätigkeit bei einer in der Schweiz ansässigen öffentlich-rechtlichen Anstalt im Rahmen der im Steuerjahr 2009 einkommensteuerfreien Einkünfte zu berücksichtigen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die Schweizerische Eidgenossenschaft andererseits unterzeichneten am 21. Juni 1999 sieben Abkommen, darunter das Freizügigkeitsabkommen. Diese Abkommen wurden mit dem Beschluss 2002/309/EG, Euratom des Rates und ‐ bezüglich des Abkommens über die wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit ‐ der Kommission vom 4. April 2002 über den Abschluss von sieben Abkommen mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft (ABl. 2002, L 114, S. 1) im Namen der Gemeinschaft gebilligt und traten am 1. Juni 2002 in Kraft.
Rz. 4
Nach dem Wortlaut der Präambel des Freizügigkeitsabkommens sind die Vertragsparteien „entschlossen, [die] Freizügigkeit zwischen ihnen auf der Grundlage der in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Bestimmungen zu verwirklichen“.
Rz. 5
Art. 1 des Abkommens lautet:
„Ziel dieses Abkommens zugunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Euro...