Entscheidungsstichwort (Thema)
Spendenabzug, Ansässigkeit der empfangenden Einrichtung in anderem Mitgliedstaat, Verbot der Spendenabzugsbeschränkung, Beschränkung Spendenabzug auf Inlandseinrichtungen
Leitsatz (amtlich)
1. Macht ein Steuerpflichtiger in einem Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen geltend, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt sind, fallen solche Spenden auch dann unter die Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr, wenn es sich um Sachspenden in Form von Gegenständen des täglichen Gebrauchs handelt.
2. Art. 56 EG steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, wonach bei Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen nur Spenden an im Inland ansässige Einrichtungen von der Steuer abgezogen werden können, ohne jede Möglichkeit für den Spender, nachzuweisen, dass eine Spende an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, die nach dieser Regelung geltenden Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Vergünstigung erfüllt.
Normenkette
EGVtr Art. 56
Beteiligte
Verfahrensgang
Tatbestand
„Freier Kapitalverkehr ‐ Einkommensteuer ‐ Abzugsfähigkeit von Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen ‐ Beschränkung der Abzugsfähigkeit auf Spenden an inländische Einrichtungen ‐ Sachspenden ‐ Richtlinie 77/799/EWG ‐ Gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern“
In der Rechtssache C-318/07
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 9. Juli 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Juli 2007, in dem Verfahren
Hein Persche
gegen
Finanzamt Lüdenscheid
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, A. Rosas, K. Lenaerts (Berichterstatter), J.-C. Bonichot und T. von Danwitz sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta und der Richter K. Schiemann, J. Makarczyk, P. Kũris und E. Juhász,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2008,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ des Finanzamts Lüdenscheid, vertreten durch H. Brandenberg, Leitender Ministerialrat,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
‐ der griechischen Regierung, vertreten durch S. Spyropoulos sowie Z. Chatzipavlou und I. Pouli als Bevollmächtigte,
‐ der spanischen Regierung, vertreten durch M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigten,
‐ der französischen Regierung, vertreten durch J.-C. Gracia, G. de Bergues und J.-C. Niollet als Bevollmächtigte,
‐ von Irland, vertreten durch D. O’Hagan und G. Hogan als Bevollmächtigte im Beistand von E. Barrington, BL,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch I. Rao und R. Hill als Bevollmächtigte,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte,
‐ der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch P. Bjørgan und I. Hauger als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Oktober 2008
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 EG bis 58 EG.
2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Persche, einem in Deutschland ansässigen Steuerberater, und dem Finanzamt Lüdenscheid (im Folgenden: Finanzamt) über die steuerliche Abzugsfähigkeit einer Sachspende an eine als gemeinnützig anerkannte Einrichtung, die ihren Sitz in Portugal hat.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern (ABl. L 336, S. 15) in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABl. 1995, L 1, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 77/799) bestimmt:
„Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erteilen sich nach dieser Richtlinie gegenseitig alle Auskünfte, die für die zutreffende Festsetzung der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen geeignet sein können …“
4
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 77/799 sieht vor:
„Die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats kann die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaats um die Erteilung der in Artikel 1 Absatz 1 bezeichneten Auskünfte im Einzelfall ersuchen. Die zuständige Behörde des um Auskunft ersuchten Staates braucht dem Ersuchen nicht zu entsprechen, wenn es scheint, dass die zuständige Behörde des ersuchenden Staates ihre eigenen üblichen Auskunftsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft h...