Leitsatz
Eine Körperschaft ist dann nicht selbstlos tätig, wenn sie die durch Spenden ihrer Gesellschafter erlangten (nicht gebundenen) Vermögensmittel ausschließlich und von vornherein zur Finanzierung einer von diesen Gesellschaftern beherrschten Personengesellschaft einsetzt.
Normenkette
§ 55, § 52 AO, § 58 Nr. 11 Buchst. b AO a.F., § 5 Abs. 1 Nr. 9, § 8 Abs. 1 und 3 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG, § 10b Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine in 2010 gegründete gGmbH mit dem Zweck der Förderung des Gesundheitswesens (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 3 AO). Die Geschäftsanteile der Klägerin werden von vier familiär verbundenen Gesellschaftern (C, F, U sowie A) gehalten, ihr Geschäftsführer ist C. In den Streitjahren waren diese vier Gesellschafter auch mit 98 % an der A-KG beteiligt: C, F und A als Kommanditisten, U (neben der A-GmbH) als Komplementär. Die A-KG wies zum 31.12.2010 keinerlei Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, aber die Verbindlichkeiten gegenüber ihren Gesellschaftern auf.
Am 8.12.2010 und am 5.12.2011 hatte die Klägerin mit der A-KG Darlehensverträge abgeschlossen, in denen sie sich verpflichtete, dieser jeweils 3 Mio. EUR als Darlehen für die Dauer von zehn Jahren zu einem jährlich am 2.1. festzulegenden Zinssatz zu gewähren. Der maßgebliche Zinssatz richtete sich nach dem Festgeldsatz auf der Basis des 1-Jahres-Euribor zuzüglich einer Marge von 0,6 %. Sicherheiten wurden nicht vereinbart, das Darlehensverhältnis konnte aber aus wichtigem Grund gekündigt werden.
Nachdem das FA der Klägerin am 20.12.2010 für Spendenzwecke eine "vorläufige Bescheinigung" erteilt hatte, wonach sie aufgrund der eingereichten Satzung ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken diene, spendeten die vier Gesellschafter am 21.12.2010 insgesamt 3 Mio. EUR (zur Anlage in den Vermögensstock der Klägerin). Aufgrund der Spenden und der bereits zuvor vereinbarten Darlehensgewährung der Klägerin an die A-KG minderten sich die Gesellschafterdarlehen in entsprechender Höhe. Im Folgejahr überwiesen die Gesellschafter am 22.12.2011 erneut insgesamt 3 Mio. EUR; auch hierfür erteilte ihnen die Klägerin jeweils Spendenquittungen.
Die Klägerin erzielte Zinsen i.H.v. 1.833,34 EUR (2010) und 67.650 EUR (2011). Zur Erfüllung ihres Gesellschaftszwecks beschlossen die Gesellschafter am 18.12.2012, Zinserträge i.H.v. 67.980 EUR an eine Kinderklinik zu spenden.
In der Folgezeit verneinte das FA die Selbstlosigkeit und erließ entsprechende Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre. Einspruch und Klage zum FG hatten Erfolg. Das FG (FG München, Urteil vom 25.4.2016, 7 K 1252/14, Haufe-Index 10526894, EFG 2017, 753) ging im Hinblick auf die mit der Schwestergesellschaft vereinbarten Zinshöhe von einer vGA aus.
Entscheidung
Der BFH bestätigte im Ergebnis die Klageabweisung, allerdings nicht im Hinblick auf eine vGA, sondern wegen fehlender Selbstlosigkeit.
Hinweis
1. Die für die Gemeinnützigkeit erforderliche Selbstlosigkeit setzt gemäß § 55 Abs. 1 AO voraus, dass nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden. Schädlich ist es dabei, wenn die Körperschaft vorrangig und nicht nur nebenbei wirtschaftliche Interessen ihrer Mitglieder fördert. Zur Bejahung der Selbstlosigkeit muss daher die Förderung der Allgemeinheit die eigenwirtschaftlichen Vorteile der Mitglieder oder der ihnen nahestehenden Personen überwiegen.
2. Ein Überwiegen eigenwirtschaftlicher Interessen der Gesellschafter einer gGmbH kann sich dem Grunde nach nicht aus dem Recht auf Spendenabzug nach § 10b EStG ergeben. Der Spendenabzug setzt die Gemeinnützigkeit voraus, sodass die hierfür erforderliche Selbstlosigkeit nicht aufgrund des – bloßen – Spendenabzugs entfallen kann.
3. Anders ist es, wenn in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang
- die Gesellschafter einer gGmbH Darlehen, die sie bislang an eine gewerblich tätige Schwestergesellschafter vergeben haben, kündigen,
- die so wieder erlangten Geldmittel in die gGmbH spenden,
- die gGmbH im unmittelbaren Anschluss hieran ein Darlehen zeit- und betragsgleich an die Schwestergesellschaft (als vorherige Darlehensnehmerin) im Wesentlichen unverändert neu vergibt,
- ohne dass die gGmbH anderweitige Verwendungsmöglichkeiten für die ihr zugewendeten Geldmittel (wie etwa eine Darlehensvergabe an andere Kreditnehmer) prüft.
Ist eine gGmbH in dieser Weise als Finanzierungsgesellschaft ihrer Schwestergesellschaft tätig, war sie in der Verwendung der ihr zugewendeten Geldmittel von vornherein eingeschränkt, sodass die gemeinnützige Verwendung der – aus dem an die Schwestergesellschaft vergebenen Darlehen – erlangten Verzinsung gegenüber den Vorteilen aus dem Spendenabzug nach § 10b EStG und dem unveränderten Betriebsausgabenabzug bei der Schwestergesellschaft als nachrangig anzusehen ist und damit die Selbstlosigkeit zu verneinen ist.
4. Die Versagung der Selbstlosigkeit ist einem derartigen Fall durch die Besonderheiten des Einzelfalls geprägt und dürfte nur sehr ei...