Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz zur Änderung der Lohnsteuerklassen bei gleichgeschlechlichen Lebenspartnern. Zuständigkeit des FA bei der Korrektur von Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Antrag auf einstweilige Anordnung, der auf die Änderung der bestehenden Eintragung der Lohnsteuerklasse in der Lohnsteuerkarte gerichtet ist, ist unzulässig, da es sich in der Hauptsache um ein Anfechtungsbegehren handelt.

2. Das Finanzamt kann erforderliche Verwaltungsakte hinsichtlich der Eintragung der Steuerklasse auf der Lohnsteuerkarte, für die die Gemeinde sachlich zuständig ist, selbst erlassen.

3. Wird weder vorgetragen noch ist nach Aktenlage ersichtlich, dass durch die Verweigerung der Änderung der Lohnsteuerklasse eine Existenzgefährdung oder eine ähnlich schwerwiegende Beeinträchtigung der Interessen der Antragsteller ausgelöst wird, fehlt es an einem Anordnungsgrund.

4. Lediglich der drohende Zinsverlust rechtfertigt keinen Erlass einer einstweiligen Anordnung.

5. Durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der Änderung der Lohnsteuerklasse würde die Hauptsache in unzulässiger Weise vorweggenommen.

6. Die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung zur Änderung der Lohnsteuerklasse bei gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern liegen nicht vor (Anschluss FG München v. 5.8.2010, 8 V 1107/10)

 

Normenkette

FGO §§ 114, 69; EStG § 39 Abs. 3b Sätze 1, 4, Abs. 4 S. 2, Abs. 6 S. 3, Abs. 5, § 38b; AO § 179

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 25.05.2012; Aktenzeichen III B 166/11)

BFH (Beschluss vom 25.05.2012; Aktenzeichen III B 166/11)

 

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes in Form einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung zu verpflichten ist, die Eintragungen auf den Lohnsteuerkarten der Antragstellerinnen antragsgemäß zu ändern.

Die Antragstellerinnen leben seit dem … 2007 als eingetragene Lebenspartnerinnen zusammen. Nach Aktenlage erzielen beide Antragstellerinnen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Die als … tätige Antragstellerin Ziff. 1.) erklärte im Jahre 2009 u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 99.293,– EUR, die Antragstellerin Ziff. 2.) in Höhe von 20.660,– EUR. Beide Antragstellerinnen sind im Inland unbeschränkt steuerpflichtig.

Mit Antrag vom 4. Februar 2011 (Bl. 64 der Einkommensteuerakten der Antragstellerin Ziff. 1.) Bd. I) beantragten die Antragstellerinnen unter Hinweis auf einen Zusammenveranlagungsantrag aus dem Jahr 2008 die Eintragungen auf den Lohnsteuerkarten der Antragstellerinnen für das Jahr 2011 dahingehend zu ändern, dass für die Antragstellerin Ziff. 1.) die Lohnsteuerklasse III, für die Antragstellerin Ziff. 2.) die Lohnsteuerklasse V eingetragen wird.

Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Schreiben vom 10. März 2011 (Bl. 70 der Einkommensteuerakten der Antragstellerin Ziff. 1.) Bd. I) ab.

Hierauf stellten die Antragstellerinnen mit Schreiben vom 15. April 2011 beim Finanzgericht den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Sie tragen vor, die Eintragung der bisherigen Lohnsteuerklassen I sei unrichtig, da sie nicht ledig, sondern „verpartnert” seien.

§ 39 Abs. 3b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei insoweit lückenhaft, als der Familienstand der „Lebenspartnerschaft” nicht geregelt sei. Die so vorhandene Lücke müsse in verfassungskonformer Weise dahingehend geschlossen werden, dass die für Verheiratete geltenden Regelungen Anwendung finden, weil die Lebenspartnerschaft in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht einer Ehe entspreche. Zur weiteren Begründung verweisen die Antragstellerinnen zudem auf die Entscheidungen des FG Niedersachsen vom 9. November 2010 (10 V 309/10), 1. Dezember 2010 (13 V 239/10) und vom 6. Januar 2011 (7 V 66/10).

Ein wesentlicher Nachteil liege auch dann vor, wenn ein Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer streitentscheidenden Norm überzeugt sei und deshalb diese Norm gem. § 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt habe.

Hinzu komme, dass die Antragstellerinnen durch die Verweigerung der Lohnsteuerklassenänderung an einer erfolgreichen Berufsausübung gehindert würden, da die Mehrsteuern für die Beschäftigung einer Teilzeit-Kinderfrau benötigt würden.

Die Antragstellerinnen beantragen,

im Wege der Einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO anzuordnen, dass in die Lohnsteuerkarten 2011 der Antragstellerin Ziff. 1.) die Lohnsteuerklasse III und in die Lohnsteuerklasse 2011 der Antragstellerin Ziff. 2.) die Steuerklasse V einzutragen ist,

hilfsweise,

die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antrag sei bereits unzulässig, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht vorlägen. Insbesondere sei kein Anordnungsgrund erkennba...

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