Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsersuchen im Zusammenhang mit dem sog. zweiten Börsengang der Deutschen Telekom AG
Leitsatz (redaktionell)
Zur Rechtmäßigkeit eines ausdrücklich auf § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO gestützten Sammelauskunftsersuchens einer Steuerfahndungsstelle in Baden-Württemberg an ein Kreditinstitut, mit dem dieses verpflichtet wurde, Daten von Bankkunden zu benennen, die im Jahr 2000 Bonusaktien aus dem zweiten Börsengang der Deutschen Telekom AG erhaltern haben. Hier: Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung.
Normenkette
AO 1977 § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 93 Abs. 1, § 30a Abs. 2, 5; FGO § 69 Abs. 2-3
Tenor
1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Beschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin (Astin) ist ein Kreditinstitut, …. Die Astin wendet sich gegen ein Auskunftsersuchen, mit dem sie verpflichtet wird, Daten von Bankkunden zu benennen, die im Jahr 2000 Bonusaktien aus dem zweiten Börsengang der Deutschen Telekom AG (DT-AG) erhalten haben.
Das Grundkapital der DT-AG wurde im Juni 1999 durch Ausgabe neuer Stückaktien erhöht (sog. zweiter Börsengang der DT-AG). Die neuen Aktien wurden überwiegend auf der Grundlage eines sog. kombinierten Angebots an Aktionäre (Bezugsrechtsangebot) sowie an private und institutionelle Anleger im In- und Ausland (globales Angebot) ausgegeben. Privatanleger, die Aktien im Rahmen des Bezugsrechtsangebots erwarben, erlangten zudem das Recht auf Bezug von einer Bonusaktie für je 10 neue Aktien, wenn sie diese ununterbrochen bis zum 31. August 2000 hielten. Nach einer Entscheidung der Finanzministerkonferenz vom 21. Oktober 1999 ist der Wert der Bonusaktien als Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzusetzen (BMF-Schreiben vom 10. Dezember 1999 IV C 6 – S 1900 – 228/991, BStBl I 1999, 1129). Der Eröffnungskurs einer Aktie der DT-AG lag am Tag des Ablaufs der Haltefrist bei 43,30 EUR. Die Bonusaktien wurden von der Astin maschinell ermittelt und automatisch an die berechtigten Aktienbesitzer zugeteilt, ohne dass es eines Antrags der Bankkunden bedurfte.
Im Rahmen von Ermittlungen der Steuerfahndung (Steufa) des Antragsgegners (Ag) gegen einen einzelnen Steuerpflichtigen wurde festgestellt, dass die Kunden der Astin … bei Einbuchung der Bonusaktien zwar auf die Einkommensteuerpflicht hingewiesen, die Bonusaktien aber nicht in die Erträgnisaufstellung für das Jahr 2000 aufgenommen worden waren. Das gab Anlass zu weiteren Ermittlungen der Steufa. Aufgrund der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Personalressourcen schlug die Oberfinanzdirektion … dem Ag vor, zunächst nur die Daten für die Anleger der Astin zu erheben (vgl. Bl. 20 der Akten des Finanzamts – FA-Akte).
Mit Schreiben vom 18. Juli 2003 forderte die Steufa die Astin auf, folgende Fragen zu beantworten (vgl. Bl. 21 f. FA-Akte):
- „Name, Anschrift und Geburtsdatum des Depotinhabers, dem Gratis/Bonusaktien gutgeschrieben wurden
- Depotnummer des Kunden
- Anzahl der Treueaktien aus Börsengang 1999 …
- Einbuchungstag der Aktien in das Kundendepot im Jahr 2000 …
- Wert der Bonusaktien im Jahr 2000 (aus Börsengang 1999)… = steuerpflichtiger Ertrag
Bitte ordnen Sie die einzelnen Steuerbürger den jeweiligen Bankinstituten zu. Für den Börsengang 1999:
- Kunden der …
- Kunden der …”
Gegen dieses Schreiben, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, legte die Astin am 23. September 2003 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Sie rügte, das Schreiben sei ein unzulässiges Sammelauskunftsersuchen, das in seiner wirtschaftlichen Bedeutung als auch unter Kostengesichtspunkten unverhältnismäßig sei. In Baden-Württemberg seien … 218.303 Bonusaktien auf 30.225 Kunden verteilt worden. Jeder Kunde habe durchschnittlich 7,22 Bonusaktien erhalten, weshalb die steuerpflichtigen Einkünfte hieraus mit durchschnittlich 313 EUR unter dem Sparerfreibetrag liegen dürften. Im übrigen sei zweifelhaft, ob die Bonusaktion überhaupt zu steuerpflichtigen Kapitaleinkünften geführt hätten.
Die Steufa wandte sich daraufhin mit Auskunftsersuchen vom 22. März 2004 an die DT-AG, um die Daten derjenigen Depotinhaber zu erfahren, denen durch die Astin Bonusaktien gutgeschrieben worden waren (vgl. Bl. 35 f. FA-Akte). Die DT-AG teilte am 8. April 2004 schriftlich mit; dass sie über die erbetenen Informationen nicht verfüge. Angaben zu Empfängern von Bonusaktion könnten nur die beteiligten depotführenden Banken machen. Diese hätten geprüft, welcher Aktionär zum Bezug der Bonusaktion berechtigt gewesen sei und die ermittelte Aktienanzahl angefordert.
Unter Zugrundelegung des stichtagsbezogenen Aktienwerts von 43,40 EUR ergab sich hieraus ein steuerpflichtiger Gesamtbetrag von fast 9,5 Millionen EUR.
Mit Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2004 wies der Ag den Einspruch im wesentlichen als unbegründet zurück. Der Einspruch hatte nur insofern Erfolg als das Auskunftsersuchen dahin geändert wurde, dass die Astin nicht verpflichtet sei, Auskunft über die Depot...