Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage an das BVerfG, ob § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG in der Fassung des HBeglG 2004 zur Neuregelung der Abzugsbeschränkung bei Bewirtungsaufwendungen verfassungsgemäß ist.
Leitsatz (redaktionell)
Dem BVerfG wird die Frage vorgelegt, ob § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG in der Fassung des Art. 9 Nr. 5 des HBeglG 2004 verfassungsgemäß ist, da nach Auffassung des vorlegenden Gerichts die Gesetzesänderung wegen Mängeln des Gesetzgebungsverfahrens verfassungswidrig ist.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2; KStG § 8 Abs. 1; HBegIG 2004 Art. 9 Nr. 5; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3, Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 S. 2, Art. 42 Abs. 1 S. 1, Art. 76 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1 S. 1; FGO § 74; BVerfGG § 80 Abs. 1, 2 S. 1
Nachgehend
Tenor
Das Verfahren wird nach §§ 74 FGO i. V. m. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ausgesetzt. Dem Bundesverfassungsgericht wird folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des Art. 9 Nr. 5 HBegIG 2004 vom 29. Dezember 2003 (BGBI. I 2003, S. 3076) mit Art. 20 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 Satz 2, Art. 42 Abs. 1 Satz 1 und Art. 76 Abs. 1 GG vereinbar?
Tatbestand
I.
Die Vorlage betrifft die Frage, ob § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG – i.d.F. des Art. 9 Nr. 5 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 (HBegIG 2004) vom 29. Dezember 2003 in formell verfassungsmäßiger Weise zustande gekommen ist. Die Vorschrift ist aus den gleichen Gründen verfassungswidrig, aus denen das Bundesverfassungsgericht – BVerfG – in seinem Beschluss vom 8. Dezember 2009 2 BvR 758/07 – Sammlung der amtlich veröffentlichten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes – BVerfGE – 125, 104, Bundesgesetzblatt – BGBl. – I 2010, 68 die Regelung des § 45a Abs. 2 Satz 3 Variante 1 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) als mit den Art. 20 Abs. 2, 38 Abs. 1 Satz 2, 42 Abs. 1 Satz 1 und 76 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar erachtet und eine Verletzung der dortigen Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG festgestellt hat und weshalb der Bundesfinanzhof – BFH – das Bundesverfassungsgericht zur Verfassungswidrigkeit der Änderung des Biersteuergesetzes im gleichen Gesetzgebungsverfahren durch Vorlagebeschluss vom 15. Februar 2011 VII R 4/09 – Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2011, 1114 angerufen hat.
Die Änderung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG ist im selben Gesetzgebungsverfahren – unter Einbeziehung des sog. Koch-Steinbrück-Papiers – zustande gekommen, wie die Änderung des § 45a Abs. 2 Satz 3 PBefG durch Art. 24 HBegIG 2004. Aufgrund des besonderen Umstandes, dass das BVerfG in der genannten Entscheidung das Zustandekommen des HBeglG 2004 bereits einer eingehenden verfassungsrechtlichen Überprüfung unterzogen hat, ist zu erwägen, ob unter diesen Bedingungen eine Vorlage an das BVerfG –etwa im Wege einer teleologischen Reduktion des Art. 100 Abs. 1 GG–als entbehrlich erachtet werden könnte, so dass von der Verfassungswidrigkeit der im Streitfall entscheidungserheblichen Norm ohne weitere bzw. nochmalige Befassung des BVerfG auszugehen wäre (BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2009, 2 BvR 758/07, BVerfGE 125, 104; BGBI. I 2010, 68). Dies hat der BFH für die von ihm vorgelegten Fälle abgelehnt, da ihm diese Kompetenz nicht zustehe. Das gleiche gilt für die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG. Die folgenden Ausführungen folgen den beiden Beschlüsse des BFH vom 15. Februar 2011, VII R 4/09 und VII R 44/09, BFH/NV 2011, 1114.
Da sich jedoch der Tenor der Entscheidung des BVerfG ausschließlich auf § 45a Abs. 2 Satz 3 Variante 1 PBefG bezieht und andere Bestimmungen nicht in Bezug genommen werden, ist eine Richtervorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Auffassung des BFH und des erkennenden Senats unausweichlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das BVerfG trotz der festgestellten formellen Verfassungswidrigkeit des § 45a Abs. 2 Satz 3 Variante 1 PBefG die Norm nicht für nichtig, sondern im Interesse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs bis zum 30. Juni 2011 für vorläufig anwendbar erklärt hat. Zu einer solchen FortgeltungsAnordnung ist das Gericht –selbst wenn es die Unvereinbarkeit des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG mit dem Grundgesetz aufgrund der besonderen Umstände selbst feststellen könnte– nicht befugt. Ergänzend ist zu bemerken, dass der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG durch das Bestätigungsgesetz zum HBegIG 2004 vom 5. April 2011 –unter Beibehaltung der durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 reduzierten Werte– eine mit der ursprünglichen Fassung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG identische Neuregelung getroffen hat, die nach Überzeugung des Senats in verfassungskonformer Weise zustande gekommen ist. Diese hat jedoch keine Rückwirkung auf den hier maßgeblichen Zeitraum.
Entscheidungsgründe
II...