Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit einer Prüfungsverfügung zur Kontrolle des Mindestlohngesetzes. Anwendung des Mindestlohngesetzes auf ausländische Arbeitgeber im Transportgewerbe
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anordnung einer Prüfung im Sinne des § 2 SchwarzArbG steht im Ermessen der Finanzbehörde. Sie ist in aller Regel ermessensgerecht, es sei denn, es lägen Anhaltspunkte für ein unverhältnismäßiges, sachwidriges oder willkürliches Verhalten der Finanzbehörde vor.
2. Der Bund verfügt gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG über die Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht, was auch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns erlaubt.
3. Die Verpflichtung, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmern den Mindestlohn nach § 1 Abs. 2 MiLoG zu zahlen, besteht für Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland in gleicher Weise. Dasselbe gilt für die Verpflichtung, die für die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns erforderlichen Unterlagen zu erstellen und bereitzuhalten.
4. Der beschließende Senat teilt bei summarischer Prüfung die Auffassung, dass – von den reinen Transitfahrten abgesehen – die §§ 16, 17 und 20 MiLoG auch auf ausländische Arbeitgeber im Transportgewerbe je nach Sachverhalt Anwendung finden können.
Normenkette
SchwarzArbG § 2 Abs. 1; MiLoG § 1 Abs. 2, §§ 14-16, 17 Abs. 2, § 20; AO § 5; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; GG Art. 74 Abs. 1 Nr. 12
Nachgehend
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Beschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsverfügung zur Kontrolle des Mindestlohngesetzes (MiLoG).
Die Antragstellerin gehört zur A-Group, einem international tätigen Logistikunternehmen mit Niederlassungen in mehreren europäischen Ländern – darunter auch Polen. Am 23. September 2015 führte das Hauptzollamt (HZA) vor Tor … des X Werks in Y eine Prüfung gem. § 2 Abs. 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (SchwarzArbG) durch. Im Rahmen dieser Prüfung wurde ein LKW-Fahrer der Antragstellerin, F, befragt (Bl. 5 f. HZA-Akte). Dieser gab an, bei der Antragstellerin seit einem Monat beschäftigt zu sein. Der vereinbarte Monatslohn betrage 500 EUR, wobei er noch kein Geld erhalten habe. Er arbeite 12 Stunden am Tag von Montag bis Samstag.
Unter dem 22. Oktober 2015 richtete das HZA zwei Schreiben an die Antragstellerin. Zum einen ordnete es mit einem als „Prüfungsverfügung” bezeichneten Schreiben an, dass gem. §§ 2 ff. SchwarzArbG eine Prüfung durchgeführt werde und nannte die Prüfungsgegenstände nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 – 5 SchwarzArbG, darunter unter Punkt 5. die „Arbeitsbedingungen nach Maßgabe des Mindestlohngesetzes” (Bl. 13 ff. HZA-Akte). Zum anderen verwies es in seinem zweiten – mit „Durchführung des Mindestlohngesetzes” betitelten – Schreiben auf die vorgenannte „Prüfungsverfügung” und führte im Übrigen aus, nach §§ 2 ff. SchwarzArbG und §§ 14 ff. MiLoG solle geprüft werden, ob die Antragstellerin ihren Arbeitnehmern für die Zeit, in der diese in Deutschland tätig gewesen seien, ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des geltenden Mindestlohns gezahlt habe (vgl. Bl. 9 f. HZA-Akte). Hierzu forderte es die Antragstellerin auf, für ihren Arbeitnehmer F für den Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis 30. September 2015 folgende Unterlagen zu übersenden:
- Arbeitsverträge
- Lohnabrechnungen
- Nachweise über die Zahlung der Löhne
- Arbeitszeitaufzeichnungen
- Firma und Anschrift der jeweiligen Auftraggeber.
Nachdem die Antragstellerin geltend gemacht hatte, zwar die Erinnerung vom 27. Januar 2016, nicht aber „das Schreiben” vom 22. Oktober 2015 erhalten zu haben, versandte das HZA am 4. April 2016 die Prüfungsverfügung erneut (Bl. 33 HZA-Akte).
Mit Faxschreiben ihrer Bevollmächtigten vom 9. Mai 2016 ließ die Antragstellerin gegen die Prüfungsverfügung Einspruch einlegen und Aussetzung der Vollziehung beantragen (Bl. 35 f. HZA-Akte). Die allgemeine Mindestlohnpflicht in Deutschland werde zwar nicht in Frage gestellt und auch eingehalten. Es bestünden jedoch zahlreiche rechtliche Zweifel an deren gesetzlichen Umsetzung in der Transportbranche. Am 17. Mai 2016 reichte die Antragstellerin eine von F unterzeichnete Erklärung ein, wonach seine Vergütung für die im Zeitraum 1. August bis 30. September 2015 in Deutschland geleistete Arbeit 8,50 EUR betragen habe und an ihn ausgezahlt worden sei (Bl. 45 f. HZA-Akte).
Mit Entscheidung jeweils vom 31. August 2016 wies das HZA den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wie auch den Einspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen ließ die Antragstellerin am 27. September 2016 Klage erheben sowie einen Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung stellen. Mit ihrem Aussetzungsantrag macht sie geltend, es bestünden aus folgenden Gründen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsverfügung vom 22. Oktober 2015:
Dem HZA fehle bereits die poli...