Entscheidungsstichwort (Thema)
Anbieten einer aus mehreren Komponenten bestehenden „kreditfinanzierten Kombirente” als einheitliche umsatzsteuerpflichtige Finanzdienstleistung oder als steuerfreie Kreditvermittlung
Leitsatz (redaktionell)
Bietet ein Finanzdienstleistungsunternehmen eine „kreditfinanzierte Kombirente” an und gehören zu diesem Angebot mehrere Leistungen (u.a. Computeranalyse, Vermittlung einer sofort beginnenden Rentenversicherung gegen Einmalzahlung, Darlehensvermittlung, Vermittlung eines Aktieninvestmentsparplans sowie einer Riskolebensversicherung), die der Kunde nach eigener Wahl ganz oder teilweise in Anspruch nehmen kann, und muss der Kunde nur im Falle des Abschlusses eines Kreditvertrages und damit nur für die Kreditvermittlung ein Entgelt entrichten, so erbringt der Finanzdienstleister nicht eine einheitliche, auf die Verschaffung eines Steuervorteils gerichtete, umsatzsteuerpflichtige Leistung, sondern mehrere, umsatzsteuerlich getrennt zu beurteilende Teilleistungen. Das für die Kreditvermittlung gezahlte Entgelt ist daher nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerbefreit.
Normenkette
UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 8 Buchst. a, e, f, Nr. 11; Richtlinie 388/77/EWG Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der geänderte Umsatzsteuerbescheid für 1995 vom 7. Februar 2003 wird geändert. Dem beklagten Finanzamt wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Bestandskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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Tatbestand
Streitig ist, ob die von der Klägerin erbrachte Leistung umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ist.
Die Klägerin – in den Streitjahren in der Rechtsform der GmbH – ist ein Finanzdienstleistungsunternehmen und bot in den Streitjahren 1995 bis 1998 u.a. ein Produkt mit der Bezeichnung „kreditfinanzierte Kombirente” an. Dieses Produkt umfasste folgende einzelnen Leistungen (Module):
- Vermittlung einer sofort beginnenden Rentenversicherung gegen Einmalzahlung, aus der eine lebenslange Rentenzahlung ab Vertragsbeginn resultiert;
- Vermittlung eines Darlehens zur Finanzierung der Einmalzahlung, wobei das Darlehen in jeder konvertiblen Währung aufgenommen werden kann; aus diesem und ggf. mit Eigenmitteln, sofern der Kunde über Eigenmittel verfügt, die eingesetzt werden sollen, wird der Einmalbetrag für die Rentenversicherung bestritten; Kreditgeber sind verschiedene Geschäftsbanken;
- Vermittlung eines Aktien-Investmentsparplan zur Ansparung der Rückzahlungsmittel für das vermittelte Darlehen; den konkreten Vertragspartner kann der Kunde in Abstimmung mit dem Kreditgeber selbst wählen; dieses Modul ist aber nicht zwingend erforderlich; ggf. kann auf bereits bestehende Sparpläne zurückgegriffen werden;
- Vermittlung einer Risikolebensversicherung zur Sicherung der finanzierenden Bank; allerdings ist auch dieses Modul nicht zwingend erforderlich; sofern vorhanden kann auf bestehende frei verfügbare Risikolebensversicherungen zurückgegriffen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den von der Klägerin vorgelegten Prospekt (Bl. 48 ff. der FG-Akten) sowie Bl. 154 ff. der Betriebsprüfungsakte Bezug genommen.
Ausweislich des Prospekts der Klägerin wird für die Vermittlung und Abwicklung des Darlehens eine Kreditvermittlungsgebühr in Höhe von 6 v.H. erhoben (vgl. Bl. 50 Rückseite der FG-Akten). Sonstige Gebühren sind in dem Prospekt nicht erwähnt; ausweislich der vorgelegten Beispiele für Computer-Analysen werden weder ein Beratungshonorar noch Bankgebühren noch sonstige Gebühren in Rechnung gestellt.
Der typische Ablauf bei Abschluss einer kreditfinanzierten Kombirente stellt sich wie folgt dar. Der externe Vermittler – aus der Sicht der Klägerin ein Untervermittler – fordert für einen möglichen Interessenten bei der Klägerin ein Angebot mittels des „Anforderungscoupons für Computer-Analyse” an. Die Klägerin fertigt sodann aufgrund der ermittelten Daten die „Computeranalyse”, aus der sich u.a. ableiten lässt, ob der Interessent für die Kombirente zu denjenigen Personen gehört, für die dieses Modell aufgrund ihres Einkommens und der Steuerbelastung interessant sein kann (vgl. Seite 3 des Prospekts; Bl. 49 der FG-Akten); demnach kann Ergebnis der Computeranalyse auch sein, dass der Abschluss einer Kombi-Rente nicht angezeigt ist, weil z.B. die erforderlichen Tilgung...