Entscheidungsstichwort (Thema)
Langjährige Finanzierungsdauer eines im Umlaufvermögen geführten Immobilienprojekts begründet keine Dauerschuld nach § 8 Nr. 1 GewStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein objektgebundener Kredit des laufenden Geschäftsverkehrs, der nicht der dauernden Verstärkung des Betriebskapitals dient, ist auch bei einer zehnjährigen Laufzeit nicht nach § 8 Nr. 1 GewStG den Dauerschulden zuzurechnen.
2. Von einem objektgebundenen Kredit, der nicht den Dauerschulden des § 8 Nr. 1 GewStG zuzurechnen ist, kann nur dann gesprochen werden, wenn er nach den Vertragsbestimmungen aus dem Erlös der finanzierten Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens zu tilgen ist und auch tatsächlich getilgt wird. Dies gilt auch dann, wenn eine Immobilien-Projektgesellschaft auf einem von ihr erworbenen Grundstück ein Seniorenpflegeheim errichtet und die Veräußerung nach Fertigstellung an einen Dritten erfolgt, der das Finanzierungsdarlehen nicht übernehmen kann, die Rückzahlung des Darlehens jedoch aus der langjährig gestundeten Kaufpreisforderung erfolgt.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2004 vom 2. Dezember 2008 wird insofern geändert, als die darin erfassten Entgelte für Dauerschulden von 716.799 EUR um einen Betrag von 478.013 EUR auf einen verbleibenden Betrag von 238.786 EUR reduziert werden.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten die gewerbesteuerliche Beurteilung des von der Klägerin im Jahr 2000 aufgenommenen Darlehens über 15 Mio. DM für das damit finanzierte Projekt eines Seniorenpflegeheims in X. Fraglich ist, ob dieses Darlehen mit 10-jähriger Laufzeit im Streitjahr 2004 (und darüber hinaus) zur hälftigen Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen im Sinne des § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes in seiner bis zum Jahr 2007 geltenden Fassung (nachfolgend GewStG a.F.) führt.
Die Klägerin ist eine im Jahr 1996 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital von 52.000 EUR und Sitz in Y. Gegenstand des Unternehmens ist die Übernahme von Bau- und Dienstleistungen aller Art, die Projektentwicklung und die Bauträgerschaft für Einrichtungen von Kommunen, Ländern oder des Bundes. Handwerksleistungen werden grundsätzlich nur durch Subunternehmen erbracht. Der Gesellschaft ist jede Betätigung gestattet, die geeignet ist, unmittelbar oder mittelbar den Zweck des Unternehmens zu fördern.
Am 28. März 2000 schloss die Klägerin (noch unter ihrer damaligen Firma B GmbH) mit einer Privatperson einen notariellen Grundstückskaufvertrag mit Rücktrittsrecht (§ 7) für eine Teilfläche von 2.740 qm des real zu teilenden Flurstücks Nr. … in X (… straße). Die Fälligkeit des – zunächst vorläufigen – Kaufpreises von 1.918.000 DM (700 DM/qm) war u.a. von der Erteilung der Baugenehmigung für die Errichtung des von der Klägerin dort geplanten Altenpflegeheims abhängig (§ 2). Hinsichtlich der Einzelheiten des Kaufvertrags wird auf die Gerichtsakte (Blatt 165 ff.) verwiesen. Der Vertrag enthält als Anlage einen Lageplan, aus dem die Planung ersichtlich ist. Ergänzend wird auf die dem Gericht vorliegenden Bauakten und Einheitswertakten Bezug genommen.
Mit Pachtvertrag vom 5. März 2000 / 12. Juli 2000 schloss die Klägerin als Verpächterin mit der C GmbH (damalige Tochtergesellschaft der E AG, nun zur …-Gruppe / H gehörend) unter der Projektbezeichnung „Seniorenzentrum X” einen Pachtvertrag, wegen dessen Einzelheiten auf die Rechtsbehelfsakte (Blatt 62 ff.) Bezug genommen wird. Pachtgegenstand ist bzw. war nach § 2 Ziff. 1 des Vertrags das Grundstück mit dem von der Klägerin als Bauherrin darauf zu errichtenden Gebäude und dem für den Betrieb als Seniorenpflegeheim erforderlichen Inventar. Als unverbindlicher Richttermin für die Übergabe wurde in § 5 Ziff. 1 der 31. Oktober 2001 avisiert, als verbindlicher spätester Übergabezeitpunkt der 30. April 2002 vereinbart. Der Pachtzins wurde auf der Basis von 120 Betten auf 112.775 DM (57.660,94 EUR) festgelegt. Vereinbart wurde eine 20-jährige Laufzeit mit Verlängerungsoption für die Pächterin (§ 16).
Die Klägerin bot das Projekt mehreren Interessenten an (potenziellen Käufern und auch Maklern). Den betreffenden Schriftverkehr aus dem Zeitraum ab März 2000 hat ...