Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenzahlungen aus einer vor dem 1.1.2005 abgeschlossenen, begünstigten privaten Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht führen insgesamt zu Einkünften aus Kapitalvermögen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Rentenversicherung gegen laufende Beitragsleistung, bei der das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf von zwölf Jahren ausgeübt werden kann, ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. cc EStG in der zum 31.12.2004 gültigen Fassung (a. F.) begünstigt, wenn eine laufende Beitragsleistung für mindestens fünf Jahre ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart ist.
2. Rentenzahlungen, die auf einem i. S. d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. begünstigten Versicherungsvertrag beruhen, sind insgesamt den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a. F. zuzuordnen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG a. F. steuerfrei.
Normenkette
EStG 2002 § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. cc
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 29.06.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.05.2016 wird dahingehend abgeändert, dass der Ertragsanteil der Rente in Höhe von x.xxx,xx EUR dem gesonderten Steuertarif nach § 32 d Abs. 1 EStG unterliegt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der tarifliche Steuertarif oder der besondere Steuertarif nach § 32d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) auf die Einkünfte aus einer privaten Rentenversicherung anzuwenden ist.
Der Kläger (Kl.), geb. am…1955, wird zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kl. ist … und erzielt als Beteiligter Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung. Seit dem Streitjahr 2010 erzielte der Kl. zudem die streitgegenständliche Rente aus einer privaten Versicherung.
Im Jahr 1998 schloss der Kl. bei der A-Versicherung einen privaten Rentenversicherungsvertrag mit der Nr. 123… ab. Ausweislich des Versicherungsscheins handelte es sich dabei um eine aufgeschobene lebenslänglich zahlbare Rente gegen laufende Beitragszahlung mit abgekürzter Beitragszahlungsdauer (Bl. 12 ff. Gerichtsakte –GA–). Technischer Beginn der Versicherung war der 01.08.1998. Der Kl. leistete bis zum 31.07.2003 (Ablauf der Beitragszahlung) fünf jährliche Beiträge in Höhe von jeweils xxx.xxx,xx DM. Als Rentenzahlungsbeginn war der 01.08.2010 mit einer garantierten monatlichen Grundrente in Höhe von x.xxx,xx DM zuzüglich einer monatlichen Mindestüberschussrente vereinbart, die zum Zeitpunkt der Ausstellung des Versicherungsscheins am 14.09.1998 x.xxx,xx DM betragen sollte. Zudem war vereinbart, dass der Kl. anstatt der monatlichen Rentenzahlung auch eine einmalige Ablaufleistung in Höhe von x.xxx.xxx,xx DM verlangen konnte. Beim Tode des Kl. vor dem Rentenbeginn sollten die bis zum Todestag fällig gewordenen Beträge – ohne Beiträge für eventuelle eingeschlossene Zusatzversicherungen, Ratenzuschläge sowie Stückkosten – an den dann in gültiger Ehe lebenden Ehegatten zurückgezahlt werden. Sollte der Kl. vor dem 31.07.2030 sterben (sog. Rentengarantiezeit), war vereinbart, dass die A-Versicherung an die Bezugsberechtigten eine einmalige Abfindung zahlen soll. Des Weiteren enthält der Versicherungsschein noch Regelungen zur Überschussbeteiligung, zum Todesfallschutz und zum Rückkauf bei Kündigung vor dem Ablauf von 12 Jahren. Insoweit wird auf den Inhalt der GA verwiesen.
Die fünf Jahresraten in Höhe von jeweils xxx.xxx,xx DM wirkten sich in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen steuerlich nicht aus, da die – begrenzt – berücksichtigungsfähigen Sonderausgaben bereits mit den im Zusammenhang mit der ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit des Kl. entrichteten Sozialversicherungs- und Kammerbeiträgen vollständig ausgeschöpft wurden (Bl. 61 ff. GA).
Mit Schreiben vom 09.04.2010 teilte die A-Versicherung dem Kl. mit, dass die Ansparzeit der Rentenversicherung am 31.07.2010 ende und eine monatliche Rente in Höhe von insgesamt x.xxx,xx EUR (Grundrente: x.xxx,xx EUR zuzüglich Überschussanteile: xxx,xx EUR) fällig werde. Alternativ wurde dem Kl. mitgeteilt, dass er sich auch sein Kapitalguthaben auszahlen lassen könne, das insgesamt xxx.xxx,xx EUR betrage (Kapitalabfindung: xxx.xxx,xx EUR zuzüglich Überschussanteile: xx.xxx,xx EUR).
Der Kl. entschied ...