Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe des tatsächlichen Gewinnzuflusses
Leitsatz (redaktionell)
1. § 37 Abs. 1 EStG ist nicht verfassungskonform dahin gehend auszulegen, dass die von dem Steuerpflichtigen zu leistenden Vorauszahlungen nicht gleichmäßig mit einem Viertel der voraussichtlichen Jahresschuld verteilt werden dürfen, sondern dem tatsächlichen kalendermäßigen Gewinnzufluss entsprechen müssen.
2. Einem Steuerpflichtigen, dessen Umsätze und Gewinnerzielung schwanken, ist es grundsätzlich zuzumuten, Rücklagen für die Vorauszahlungen zu bilden.
Normenkette
EStG § 37 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger – Kl –, ein selbständiger Rechtsanwalt, entrichtet seit Jahren Vorauszahlungen. Bereits im Jahr 2002 hatte er mit dem Beklagten – Bekl – Gespräche über die Höhe der Vorauszahlungen zu den im Gesetz festgelegten Zahlungszeitpunkten geführt. Den Inhalt der Gespräche hielt er in einem Aktenvermerk fest, den er mit Schreiben vom 21. August 2002 an den Bekl schickte. Darin stand u.a.:
„Es wurde deshalb Übereinstimmung erzielt, bei den Vorauszahlungen wie folgt zu verfahren:
- Im 1. Quartal eines Jahres ist 0 zu zahlen.
- Am 10.6., 10.9. und 10.12. sind je 20% zu zahlen.
- Es erfolgt dann Ende Januar des nachfolgenden Kalenderjahres eine nachträgliche Festsetzung für das vorausgegangene Kalenderjahr in Höhe von prinzipiell 40%. Diese Festsetzung wird nicht vor Ende Januar vorgenommen werden. Falls für mich deutlich erkennbar ist, dass der Gewinn deutlich niedriger ist, soll dies dem Finanzamt angezeigt werden.”
Im Jahr 2007 kündigte der Bekl dem Kl eine Anpassung der Vorauszahlungen an. Daraufhin verwies der Kl auf die im Jahr 2002 geführten Gespräche, beantragte die Festsetzung der Vorauszahlungen entsprechend der in den Vorjahren getroffenen Vereinbarung und teilte mit, für die Jahre 2005, 2006 und 2007 seien lediglich 30% des Jahresgewinns im ersten Halbjahr eines Kalenderjahres erzielt worden.
Nach langem Schriftwechsel setzte der Bekl mit ESt-Vorauszahlungsbescheid vom 16. Juli 2007 vier gleich große vierteljährliche Vorauszahlungen in Höhe von insgesamt 24.707.– EUR, davon 21.974.– EUR für Einkommensteuer – ESt –, 1.621.– EUR für Kirchensteuer – KiSt – sowie 1.112.– EUR für Solidaritätszuschlag – SolZ – fest. Bemessungsgrundlage für die Vorauszahlungen war eine Prognose des zu versteuernden Einkommens ab dem Kalenderjahr 2007 in Höhe von 248.641.– EUR.
Dagegen legte der Kl Einspruch ein und teilte u.a. mit, im Jahr 2008 rechne er mit einem geringeren zu versteuernden Einkommen. Mit Einspruchsentscheidung vom 11. März 2008 setzte daher der Bekl ab 10. März 2008 Vorauszahlungen für ESt in Höhe von 16.384.– EUR, für KiSt in Höhe von 1.308.– EUR und für SolZ in Höhe von 900.– EUR fest. Im Übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit der dagegen erhobenen Klage macht der Kl im Wesentlichen geltend, die Höhe der Vorauszahlungen müsste zu den jeweiligen Vorauszahlungszeitpunkten entsprechend seinem tatsächlichen Gewinnzufluss angesetzt werden. § 37 Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG – setze nach seinem Wortlaut ausdrücklich und unverkennbar nur die Zahlungstermine fest. Die Norm postuliere damit keine gleich hohen Vorauszahlungen. Die Formulierung des § 37 Abs. 1 S. 1 EStG „für den laufenden Veranlagungszeitraum geschuldet wird” deute darauf hin, dass sich Vorauszahlungen in Kongruenz zur Entwicklung der ESt – also des zu versteuernden Gewinns – während des laufenden Veranlagungszeitraums bewegen sollten und müssten. Folglich sei auch bei der Bestimmung der Höhe der einzelnen Vorauszahlungen das laufende Einkommen eines Steuerpflichtigen zu betrachten. Sonst hätte die gesetzliche Formulierung lauten müssen „die er am Ende des laufenden Veranlagungszeitraums voraussichtlich schulden wird.”
§ 37 Abs. 1 EStG sei verfassungskonform dahin gehend auszulegen, dass die von einem Steuerpflichtigen zu leistenden Vorauszahlungen dem für diesen Steuerpflichtigen typischen kalenderjährlichen Verlauf des Gewinnzuflusses anzupassen seien. Seine Gewinnzuflüsse seien infolge der Mandats- und Mandantenstruktur sowie einer darauf basierenden Abrechnungspraxis über das Kalenderjahr hinweg unregelmäßig. Sie stiegen in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres, zum Jahresende hin, deutlich an.
Eine gleichmäßige Verteilung der zu erwartenden festzusetzenden ESt beruhe auf der Regelungspraxis, die dem § 35 Abs. 2 EStG aus dem Jahre 1939 zu entnehmen sei. Diese habe jedoch der Gesetzgeber bereits im Jahre 1941 gestrichen. Sie verstoße außerdem gegen die das Steuerrecht beherrschenden Grundsätze der Besteuerung nach dem Zufluss- und Leistungsfähigkeitsprinzip sowie des verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsschutzes.
Setze der Bekl vier gleiche Raten fest, führe dies zu einer nicht zumutbaren Steuervorauszahlungsbelastung. Die Vorauszahlungen ...