rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Umsatzsteuerschulden bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge. Drittwirkung der Steuerfesetzung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der (Mit-)Geschäftsführer einer GmbH haftet trotz Verwirklichung des subjektiven und objektiven Tatbestands des § 69 i. V. m. § 34 AO nicht, wenn die Umsatzsteuerschuld innerhalb des Haftungszeitraums bei Einhaltung der gem. § 225 Abs. 2 AO für Verrechnungen vorgesehenen Tilgungsreihenfolge durch das FA vollständig getilgt gewesen wäre (hier: Verrechnung eines Erstattungsguthabens mit der jüngeren, statt der älteren Umsatzsteuerschuld).

2. Die Einwendungen des wegen Steuerschulden der GmbH in Haftung genommene Geschäftsführers gegen die Festsetzung der Primärschuld sind nicht durch § 166 AO präkludiert, wenn während der Amtszeit des Geschäftsführers kein Bescheid über die Festsetzung der Primärschuld ergangen ist, den er hätte anfechten können.

 

Normenkette

AO §§ 69, 225 Abs. 2, §§ 34, 166

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 04.08.2014; Aktenzeichen VII R 28/13)

BFH (Urteil vom 23.04.2014; Aktenzeichen VII R 28/13)

BFH (Urteil vom 23.04.2014; Aktenzeichen VII R 28/13)

 

Tenor

Der Haftungsbescheid vom 4. Oktober 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2010 sowie des geänderten Haftungsbescheids vom 18. Januar 2011 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte den Kläger als ehemaligen Mitgeschäftsführer einer B. GmbH mit Sitz zuletzt in 7… C. für rückständige Umsatzsteuer 2003 nebst Säumniszuschlägen hierzu persönlich in Haftung nehmen kann.

Unternehmensgegenstand der am 5. Januar 1995 u. a. durch den am 31. August 1968 geborenen Kläger, von Beruf Werkzeugmacher, gegründeten GmbH war der „Bau von Sanitär-, Heizungs- und Gasanlagen, ferner Klima- und Lüftungsanlagen”. Am 19. April 2000 beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH eine Sitzverlegung von D. nach E.. Am 16. November 2006 beschloss die Gesellschafterversammlung eine erneute Sitzverlegung, diesmal nach C.. Die GmbH wurde daraufhin am 6. Juni 2007 in das Handelsregister beim Amtsgericht L. eingetragen (HRB 7…).

Geschäftsführer der GmbH waren zunächst der Kläger sowie der am 13. Januar 1965 geborene Mitgesellschafter G., von Beruf Gas- und Wärmenetzmonteur.

Mit Wirkung am 30. November 2006 wurden der Kläger sowie Herr G. als (Mit-) Geschäftsführer abberufen und durch die am 22. Oktober 1971 geborene H. als alleiniger GmbH-Geschäftsführerin ersetzt.

Bereits am 31. Mai 2006 stellte die Techniker Krankenkasse Hamburg beim Amtsgericht K. erstmals einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH. Das unter dem Aktenzeichen … IN …/06 geführte Verfahren wurde nach Zahlung der Rückstände durch die GmbH von der o. g. Krankenkasse am 13. September 2006 für erledigt erklärt.

Weitere Insolvenzanträge folgten am 27. Juli 2006 durch die BKK Gildemeister am 28. Juli 2006 durch die GEK Gmünder Ersatzkasse und am 2. August 2006 durch die AOK Bayern Sämtliche Anträge wurden nach Entrichtung der rückständigen Sozialversicherungsbeiträge durch die GmbH von den jeweiligen Krankenkassen für erledigt erklärt.

Die GmbH selbst, vertreten durch Frau H., stellte am 23. Februar 2007 einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Diesem Antrag gab das Amtsgericht L. mit Beschluss vom 14. Juni 2007 statt (Az.: … IN …/07).

Rechtsanwalt M. aus F. ermittelte im Rahmen seines Gutachtens vom 8. Juni 2007 im sog. Insolvenzantragsverfahren anhand des Jahresabschlusses der GmbH für das Geschäftsjahr 2004 sowie der von der GmbH selbst gefertigten betriebswirtschaftlichen Auswertungen per 31. Dezember 2005 und 31. Dezember 2006 folgende Umsätze und Betriebsergebnisse der GmbH:

Umsätze:

Betriebsergebnisse:

2004:

2 821 325 EUR

./. 22 997 EUR

2005:

1 772 822 „

460 763 „

2006:

2 323 597 „

./. 336 243 „

Für die Abgabe der Jahressteuererklärungen 2003 durch die von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertretene GmbH gewährte der Beklagte stillschweigend Fristverlängerung bis zum 28. Februar 2005. Mangels Einhaltung dieser Abgabefrist schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer 2003 gemäß § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) und setzte diese mit Bescheid vom 22. Juni 2005 auf 2 958,41 EUR fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO).

Am 10. Mai, 14. August sowie 10. Oktober 2006 reichte die GmbH ihre Umsatzsteuervoranmeldungen für das 1. bis 3. Quartal 2006 beim Beklagten ein. Daraus ergaben sich folgende Umsatzsteuererstattungsguthaben, d...

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