Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Bestimmung des Entnahmewerts eines Grundstücks bei Vorliegen mehrerer Gutachten
Leitsatz (redaktionell)
1. Liegen dem FG mehrere Gutachten zum Wert eines teils gewerblich, teils zu Wohnzwecken genutzten, mit mehreren unterschiedlichen Gebäuden bebauten Grundstücks vor, so ist ein Verkehrswertgutachten nicht geeignet, den für die Bewertung der Entnahme des Grundstücks erforderlichen „Teilwert” des Grundstücks nachzuweisen.
2. Ein vom Steuerpflichtigen in Auftrag gegebenes Gutachten ist zur Bestimmung des „Teilwerts” des Grundstücks nicht geeignet, wenn es u. a. nicht begründet, wie und auf welcher Grundlage die einzelnen Werte ermittelt worden sind, wie die unterschiedliche Nutzung der einzelnen Gebäudeteile berücksichtigt wurde und dass ggf. Altlasten aus einem Gewerbebetrieb vorhanden sind.
3. Das Gericht ist im Rahmen seiner Überzeugungsbildung nach § 96 Abs. 1 S. 1 FGO berechtigt, den Teilwert dem vom Gericht in Auftrag gegebenen Teilwertgutachten zu entnehmen, wenn dieses Gutachten detailliert, nachvollziehbar ist, seine Werte fundiert durch Quellenangaben begründet, besondere Gegebenheiten durch Abschläge sowie auch den für die Bestimmung der Teilwerts erforderlichen Gesichtspunkt der Betriebsfortführung berücksichtigt. Das Gericht ist nicht zu einer eigenen Wertermittlung verpflichtet und insbesondere nicht berechtigt, einen eigenen, aus einzelnen Bestandteilen mehrerer Gutachten „zusammengestückelten” Wert zu errechnen.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3, Nr. 4; BewG § 9 Abs. 2; FGO § 96 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Der Gewerbesteuermessbescheid 1995 vom 3. September 2001 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2003 wird dahingehend geändert, dass ein Entnahmewert für das Grundstück A… in Höhe von 3.600.000,– DM angesetzt wird. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu einem Drittel und der Beklagte zu zwei Dritteln.
Das Urteil ist für den Kläger wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss:
1. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.
2. Die Kosten für das Gutachten vom 15. April 2004 des Sachverständigen Herrn O werden nicht erhoben.
Tatbestand
Strittig ist die Höhe des Teilwertes für das Grundstück A. zum 15. Dezember 1995.
Der Kläger betrieb auf dem Grundstück in A einen …betrieb. Das 5.715 m² große Grundstück war mit drei Gebäuden bebaut und teilte sich in einen vorderen sowohl zu Wohnzwecken als auch gewerblich genutzten Teil und einen gewerblich genutzten hinteren Teil auf. Am 15. Dezember 1995 schenkte der Kläger das zum Betriebsvermögen gehörende Grundstück seinen Kindern.
In seiner Steuererklärung setzte der Kläger einen Entnahmegewinn in Höhe von 13.096,00 DM an. Diesen ermittelte er ausgehend von einem (unstrittigen) Buchwert in Höhe von 3.224.104,00 DM und einem Entnahmewert in Höhe von 3.237.000,00 DM. Dabei berief der Kläger sich auf ein Verkehrswertgutachten, welches der Gutachter Herr S von der Arbeitsgemeinschaft öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger S im Auftrag des Klägers auf den 6. Juni 1995 erstellt hatte. Verwendungszweck des Gutachtens war die Bewertung des Grundstücks und der Gebäude als Grundlage zur Vermögensteilung ohne Berücksichtigung der Grundstücksteilung. Der Gutachter ermittelte den Wert unter anderem im Wege des Ertragswertverfahrens. Dabei berücksichtigte er einen Liegenschaftszins in Höhe von 7 vom Hundert für das gesamte Grundstück, einen Bodenwert für das gesamte Grundstück in Höhe von 500,00 DM pro m² und die Restnutzungsdauer des Gebäudes 1 mit 42 Jahren, des Gebäudes 2 mit 35 Jahren und des Gebäudes 3 mit 5 Jahren. Auf das Gutachten vom 6. Juni 1995 wird Bezug genommen.
Im Rahmen einer beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung schätzte der Bausachverständige des Finanzamtes … einen Entnahmewert in Höhe von 5.200.000,00 DM. Diesen Wert korrigierte er auf 4.800.000,00 DM nachdem er das Gutachten des Herrn S in seine Berechnung einbezogen hatte. Nach Auffassung des Bausachverständigen sei für die Bewertung des Grundstücks eine Trennung des vorderen und hinteren Teils vorzunehmen. Daraus folgend ergaben sich für den vorderen Teil ein Bodenwert in Höhe von 550,00 DM pro m², für den hinteren Teil in Höhe von 1.000,00 DM pro m² und ein beide zusammenfassender Bodenwert im „Mittel” in Höhe von 580,00 DM pro m². Den Liegenschaftszins ermittelte der Bausachverständige aus beiden Grundstücksteilen im Mitte...