Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzweigung von Kindergeld an den Träger der Jugendhilfe. Berechnung des auf das betreute Kind entfallenden Kindergeldbetrags
Leitsatz (redaktionell)
1. Werden Leistungen der Jugendhilfe über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses erbracht und bezieht einer der Elternteile Kindergeld, so hat dieser gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII einen Kostenbeitrag mindestens in Höhe des Kindergelds zu zahlen. Zahlt der Elternteil diesen Kostenbeitrag nicht, so ist der Träger der Jugendhilfe insoweit berechtigt, das auf dieses Kind entfallende Kindergeld durch Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs nach § 74 Abs. 2 EStG in Anspruch zu nehmen.
2. Für die Höhe der Abzweigung ist nicht der Betrag maßgeblich, der sich gemäß § 66 Abs. 1 EStG für das jeweilige Kind als Zahlkind ergibt, sondern der Betrag nach Aufteilung des Gesamtkindergeldanspruchs nach Kopfteilen der Zahlkinder gemäß der für die Pfändung von Kindergeldansprüchen geltenden Regelung des § 76 Satz 2 Nr.1 EStG.
Normenkette
EStG 2002 § 74 Abs. 2, 1 S. 2, § 76 S. 2 Nr. 1, § 66 Abs. 1; SGB X § 104 Abs. 1 S. 4; SGB VIII § 94 Abs. 3 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beigeladene war ab Juli 2005 für insgesamt vier Kinder kindergeldberechtigt. Für die Kinder E., C. und B. betrug das Kindergeld jeweils 154,00 EUR, für das jüngste Kind D. 179,00 EUR. Seit August 1999 erbrachte der Kläger für die drei jüngsten Kinder Jugendhilfe in Form von Leistungen über Tag und Nacht außerhalb des Elternhauses gemäß § 27 i. V. m. § 34 SGB VIII. Mit Schreiben vom 23. März 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Auszahlung des Kindergeldes für die von der Jugendhilfe begünstigten Kindern gemäß § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 104 SGB X. Dem Antrag war ein Leistungsbescheid gleichen Datums über die Heranziehung der Beigeladenen zu einem Kostenbeitrag ab 1. April 2006 in Höhe von jeweils monatlich 154,00 EUR für die Kinder C., B. und D. beigefügt.
Mit Bescheid vom 26. April 2006 ordnete die Beklagte die Abzweigung des Kindergeldes für das älteste Kind E. an dieses selbst in Höhe von 160,25 EUR monatlich ab Dezember 2005 an, weil die Beigeladene ihrer Tochter keinen Unterhalt gewähre. Der auf dieses Kind entfallende Betrag errechne sich aus der Teilung des gesamten Kindergeldanspruchs durch die Anzahl der Kinder. Mit weiterem Bescheid vom 26. April 2006 teilte die Beklagte der Beigeladenen mit, dass dem Kläger als Träger der Jugendhilfe ab April 2006 ein Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 104 SGB X zustehe und der Anspruch auf Kindergeld in dieser Höhe nach § 74 Abs. 2 EStG i. V. m. § 107 SGB X als erfüllt gelte. Hiervon erhielt der Kläger eine Abschrift unter Hinweis auf den von ihm angemeldeten Erstattungsanspruch.
Mit Schreiben vom 4. Mai 2006 legte der Kläger „gegen den Bescheid vom 26. April 2006 im berechtigten Interesse” Einspruch ein. Zur Begründung gab er an, ihm sei bei Erlass des Leistungsbescheides vom 23. März 2006 noch nicht bekannt gewesen, dass auch für die volljährige Tochter E. noch Anspruch auf Kindergeld bestanden habe, so dass als Mindestkostenbeitrag für die drei jüngeren Kinder jeweils 154,00 EUR festgesetzt worden seien. Durch das weitere Kind erhöhe sich der geforderte Betrag auf 487,00 EUR, weil auf das Kind D. als viertes Kind Kindergeld in Höhe von 179,00 EUR entfalle. Außerdem führte der Kläger aus, mit Datum vom 23. März 2006 sei ein Abzweigungsantrag gemäß § 74 EStG i. V. m. § 104 SGB X gestellt worden, weil die Beigeladene seit Hilfebeginn ihrer Unterhaltsverpflichtung wegen mangelnder Leistungsfähigkeit nicht habe nachkommen können. Deshalb werde nunmehr um Änderung des Abzweigungsbetrages auf die Höhe des für die untergebrachten Kinder nach § 66 Abs. 1 EStG festgesetzten Kindergeldbetrages und nicht um Abzweigung eines anteiligen ¾-Betrages des Kindergeldanspruchs gebeten. Der Leistungsbescheid gegen die Beigeladene werde nach Vorlage der Einspruchsentscheidung entsprechend geändert werden.
Mit Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Höhe des im Ermessenswege maximal abzweigbaren Betrages richte sich nach den für die Pfändung von Kindergeld geltenden Vorschriften des § 74 Abs. 1 Satz 2 EStG i. V. m. § 76 EStG. Gehörten, wie im vorliegenden Fall, die unterhaltsberechtigten Kinder zum Kreis der Kinder, für die dem Leistungsberechtigten Kindergeld gezahlt werde, so sei eine Pfändung bis zu dem Betrag möglich, der bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf jedes dieser Kinder entfalle. Da die Beigeladene Anspruch auf Kindergeld für vier Kinder in Höhe von insgesamt 641,00 EUR habe, ergebe sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes für jedes Kind ein Betrag in Höhe von 160,25 EUR monatlich. Dam...