Entscheidungsstichwort (Thema)
Von einer GmbH aufgrund ärztlicher Verordnungen, aber nicht unter fachärztlicher Aufsicht und Leitung erbrachte Physiotherapieleistungen nicht gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. e GewStG steuerbefreit
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur näheren Definition der in § 3 Nr. 20 GewStG verwendeten Begriffe ist allein auf die Begriffsbestimmungen des Sozial- und Sozialversicherungsrechts zurückzugreifen (vgl. BFH, Urteil v. 29.9.2020, VIII R 10/17, BStBl 2021 II S. 387). Der Begriff der Rehabilitation ist nicht unter dem Gesichtspunkt weit zu verstehen, dass der Begriff oftmals mit „medizinische Rehabilitation” eingegrenzt werde und damit ein weiteres Verständnis, mithin keine Beschränkung auf eine „medizinische Rehabilitation” im Sinne des SGB V angezeigt sei (gegen FG Köln, Urteil v. 2.5.2024, 15 K 1653/22, Revision anhängig Az beim BFH X R 15/24).
2. Von einer GmbH in eigenen Praxen, bei Hausbesuchen sowie in Pflegeeinrichtungen Dritter jeweils aufgrund ärztlicher Verordnungen, aber nicht unter ständiger fachärztlicher Leitung bzw. Aufsicht und ohne Abschluss von Versorgungsverträgen (§ 111 SGB V) ausgeführte Physiotherapieleistungen sind als ärztlich verordnete Heilmittelleistungen nach § 32 SGB V nicht nach § 3 Nr. 20 Buchst. c GewStG steuerbefreit. Diese Gewerbesteuerbelastung ist nicht unter dem Gesichtspunkt gleichheitswidrig, dass ein Physiotherapeut – sofern er als Einzelunternehmen organisiert ist – freiberufliche Einkünfte im Sinne von § 18 EStG erzielt, die nicht der Gewerbesteuer unterliegen.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 2 S. 1, § 3 Nr. 20 Buchst. e, c; SGB V §§ 32, 40 Abs. 1-3, § 107 Abs. 2 Nr. 2, § 111 Abs. 1-2, § 111c; EStG § 18 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewerbesteuerbefreiung der Klägerin.
Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 23. August 2018 durch Umwandlung von einem Einzelunternehmen gegründet. Alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer ist seither Herr B…. Gegenstand der Klägerin ist der Betrieb einer Praxis für Physiotherapie in C…. Herr B… ist ausgebildeter Physiotherapeut.
Die Klägerin wurde hinsichtlich Gewerbesteuermessbeträgen zunächst mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen veranlagt (Bescheide vom 28. Februar 2022 und vom 18. Juli 2022). Die Festsetzung für 2020 erging unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abgabenordnung (AO)). Für Vorauszahlungen ab 2022 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag am 28. Februar 2022 zunächst auf x.xxx EUR und am 18. Juli 2022 auf xx.xxx EUR fest.
Hiergegen legte die Klägerin fristgerechte Einsprüche ein und begehrte die Gewerbesteuerbefreiung.
Mit Bescheid vom 26. August 2022 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag für 2020 auf xx.xxx EUR fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
Im Einspruchsverfahren trug die Klägerin vor, dass sie nach § 3 Nr. 20 Gewerbesteuergesetz (GewStG) von der Gewerbesteuer befreit sei. Sie betreibe eine Einrichtung zur ambulanten Rehabilitation. Die Behandlungskosten würden in mindestens 40% der Fälle von den Krankenkassen getragen, bei ihr fast zu 100%. Eine Nichtberücksichtigung ihrer Tätigkeiten sei gleichheitsrechtlich zu beanstanden. Eine Gewerbesteuerbelastung werde von den Leistungsträgern nicht erstattet. Ihre Patienten seien ausschließlich chronisch Erkrankte beziehungsweise Patienten der Geriatrie in Pflegeeinrichtungen oder Seniorenheimen. Die Behandlung erfolge nur aufgrund ärztlicher Verordnung und diene ausschließlich der Rehabilitation. Nach Aufforderung durch den Beklagten übermittelte die Klägerin eine ärztliche Einschätzung vom 16. September 2022 sowie Abrechnungen der Jahre 2019 bis 2022.
Der Beklagte wies mit Einspruchsentscheidung vom 28. November 2022 die Einsprüche wegen Gewerbesteuermessbescheiden 2019 und 2020 sowie den Bescheid für Zwecke der Vorauszahlungen ab 2022 als unbegründet zurück.
Die Klägerin betreibe ein Physiotherapiezentrum mit mehreren Niederlassungen und biete nach ihrer eigenen Internetseite ein breit gefächertes Leistungsspektrum an, sowohl in Praxen als auch bei Hausbesuchen und in Pflegeeinrichtungen. Die Behauptung, sie sei nur in Pflegeeinrichtungen und Seniorenheimen tätig, stehe dem entgegen. Vorgelegt habe die Klägerin nur Heilmittelverordnungen von Ärzten und teilweise Kostenübernahmebestätigungen der Krankenkassen. Damit habe sie die Erbringung von Heilmitteln nach § 32 Sozialgesetzbuch (SGB V) dargelegt, nicht aber Rehabilitationsmaßnahmen nach § 40 SGB V i.V.m. § 107 Abs. 2 SGB V. Auch wenn die Maßnahmen zur Rehabilitation beitragen würden, erbringe sie diese nach § 32 SGB V. Einen Nachweis über Vertragsschlüsse mit Krankenkassen als Rehabilitationseinrichtungen nach § 111c SGB V habe die Klägerin nicht vorgelegt. Damit betreibe sie keine begünstigte Einrichtung. Die Nichtgewährung der Befreiung sei auch gleichheitsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Klägerin h...