rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnungserklärung des Finanzamts stellt verwaltungsrechtliche Willenserklärung dar
Leitsatz (redaktionell)
Eine Aufrechnungserklärung des Finanzamts stellt keinen Verwaltungsakt, sondern eine verwaltungsrechtliche Willenserklärung dar, deren Wirksamkeit sich nach den aus dem Zivilrecht abgeleiteten Regelungen und Grundsätzen für die Wirksamkeit von Willenserklärungen richtet.
Normenkette
AO § 218 Abs. 2, §§ 226, 47
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx – nachfolgend: Insolvenzschuldnerin -. Der Beklagte hatte gegenüber der Insolvenzschuldnerin eine seit dem 15. Mai 2001 fällige Forderung aus einer Lohnsteueranmeldung für April 2001 in Höhe von 103 456,61 DM. Die Insolvenzschuldnerin meldete mit am 21. Juni 2001 beim Beklagten eingegangener Umsatzsteuer-Voranmeldung einen Erstattungsanspruch aus Umsatzsteuer-Vorauszahlung für März 2001 in Höhe von ./. 3 973,80 DM an. Der zuständige Sachbearbeiter in der Veranlagungsstelle des Beklagten erteilte am 28. Juni 2001 die Zustimmung nach § 168 Abs. 2 Abgabenordnung – AO -.
Am Sonntag, den 1. Juli 2001, beschloss das xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Hiervon erlangte die Vollstreckungsstelle des Beklagten am 11. Juli 2001 Kenntnis.
Unter dem 17. Juli 2001 veranlasste die Finanzkasse des Beklagten die Absendung einer maschinell gefertigten Umbuchungsmitteilung. Adressatin der Umbuchungsmitteilung war die Insolvenzschuldnerin. In der Mitteilung hieß es, mit Kontostand vom 17. Juli 2001 seien von Umsatzsteuer März 2001 3 973,80 DM auf Lohnsteuer April 2001 umgebucht worden. Weiterhin hieß es: „Sollten Sie mit den Buchungen nicht einverstanden sein, geben Sie bitte umgehend die beanstandeten Buchungen sowie ihre Buchungswünsche ... an. Eine Berücksichtigung Ihrer Buchungswünsche ist im Regelfall nur bei vorgenommenen Buchungen auf noch nicht fällige Forderungen möglich.“ Im Einzelnen wird auf die in der Streitakte, Blatt 32, abgelegte Kopie der Mitteilung verwiesen. Wann die Mitteilung den Kläger erreichte, ist unklar. Jedenfalls widersprach dieser mit Schreiben vom 11. Oktober 2001 der mitgeteilten Umbuchung und erklärte seinerseits die Aufrechnung des Guthabens aus Umsatzsteuer März 2001 in Höhe der 3 973,80 DM mit einer Verbindlichkeit aus der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für September 2001 (Masse-Steuernummer). Dabei vertrat er die Ansicht, die Umbuchungsmitteilung habe keine Aufrechnungserklärung, sondern lediglich ein Angebot des Beklagten zur Aufrechnung dargestellt. Dies folge unter anderem daraus, dass ihre Wirksamkeit nach den dortigen Erläuterungen davon abhängen sollte, ob ihr widersprochen oder ob sie akzeptiert würde. Eine Aufrechnungserklärung hätte dagegen für beide Seiten bindend sein müssen. Für den Fall, dass der Beklagte anderer Auffassung sein sollte, wurde der Erlass eines Abrechnungsbescheids i. S. v. § 218 AO beantragt.
Der Beklagte erließ daraufhin unter dem 18. Oktober 2001 einen Abrechnungsbescheid, in dem er ausführte, das Guthaben aus Umsatzsteuer-Vorauszahlung März 2001 in Höhe von 3 973,80 DM sei erloschen, weil es gemäß der Umbuchungsmitteilung vom 17. Juli 2001 mit der Gegenforderung aus Lohnsteuer-Voranmeldung April 2001 aufgerechnet worden sei. Den rechtzeitigen Einspruch des Klägers hiergegen wies er mit Einspruchsentscheidung vom 3. Dezember 2001 als unbegründet zurück. Er meinte, der Wille zur Aufrechnung sei in der Umbuchungsmitteilung klar zum Ausdruck gekommenen. Die Umbuchungsmitteilung werde allen Anforderungen gerecht, die an eine Aufrechnungserklärung gestellt würden.
Mit seiner Klage erstrebt der Kläger die Änderung des Abrechnungsbescheides dahingehend, dass infolge seiner Aufrechnungserklärung vom 11. Oktober 2001 die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsschuld für September 2001 in Höhe von 3 973,80 DM erloschen sei. Die Umbuchungsmitteilung des Beklagten vom 17. Juli 2001 sei ein automatisch erstelltes Erzeugnis, aus dem nicht zu ersehen sei, dass ihm ein Willensbildungsakt vorangegangen wäre. Es fehle ihr zudem an der für eine Aufrechnungserklärung erforderlichen Eindeutigkeit. Der Eintritt der in ihr dargestellten Verrechnungslage sei davon abhängig gemacht worden, ob sich der Empfänger damit abfinde oder ihr widerspreche. Sie habe daher höchstens ein Angebot auf Abschluss eines Verrechnungsvertrags darstellen können, für das es an einer Annahme durch den Kläger fehle. Ausdrücklich sei diese nie erfolgt. Eine konkludente Annahme lasse sich schon deswegen nicht unterstellen, weil Willenserklärungen durch Schweigen nur bei Ausnahmesachverhalten in Betracht kämen und weil außerdem nicht zu klären sei, wann die Umbuchungsmitteilung überhaupt dem Kläger als Verfügungsbefugtem über das Vermögen der Insolvenz...