Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Missbräuchlichkeit eines Benennungsverlangens
Leitsatz (redaktionell)
Das Benennungsverlangen der Finanzbehörde ist ermessensmissbräuchlich, wenn der Steuerpflichtige auf Grund seiner Nachfragen davon ausgehen konnte, daß es sich bei dem von ihm beauftragten Unternehmen nicht um eine bloße Domizilgesellschaft handelt.
Normenkette
AO § 160 Abs. 1 S. 1, § 93; AStG § 16 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin betreibt im Rahmen eines Bauunternehmens insbesondere das Fliesengewerbe in der Rechtsform einer GmbH.
Anläßlich einer bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung stellte der Prüfer anhand der vorhandenen Rechnungsbelege u. a. fest, dass die Klägerin per Bank Zahlungen für Fremdleistungen an die Firma ... (im folgenden: Firma D.) geleistet hatte. Die dementsprechenden vollständig vorhandenen Rechnungen enthielten im Kopf unter dem Namen der Firma D. den Zusatz: „Registered Company No. ... - Company House -.
Die Firma D. erbrachte Leistungen als Subunternehmer der Klägerin aufgrund eines zwischen ihr und der Klägerin per Telefax geschlossenen schriftlichen Werkvertrages vom 10. April 1996, der die Baustellen „..., Berlin“ und „..., Berlin“ als vereinbarte Leistungsorte auswies.
Vor Vertragsabschluß stellte die Klägerin unstreitig Erkundigungen über die Fa. D. an. Sie ließ sich diesbezüglich von der Firma D. diverse Unterlagen zum Nachweis der Identität dieser Firma vorlegen, nämlich
- die ins Deutsche übersetzte Urkunde über die Eintragung einer „Private Limited Company“,
- die Handwerkskarte der Handwerkskammer D. vom 2. 9. 1995 nebst Bescheinigung über die Eintragung der Firma D. in die Handwerksrolle, nach der die Firma D. als Inhaberin eines Bau-, Dachdecker- und Klempnerbetriebes im Handelsregister eingetragen und in der als Betriebssitz die Adresse der Firma D. in ... angegeben und Herr A. geb. ... als Betriebsleiter genannt ist,
- den britischen Umsatzsteuereintragungsbescheid der Firma D. vom 13. 9. 1995 und
- die Versicherungsbestätigung der ... Versicherungs-AG über den Abschluß einer Betriebshaftpflichtversicherung für die Firma D.
Danach kamen die vertraglichen Beziehungen zustande. Die Firma D. wurde von der Klägerin aufgrund der von der Umsatzsteuersonderprüfung beanstandeten Rechnungen vereinbarungsgemäß entlohnt, und zwar per Bank über das Geschäftskonto.
Auf Nachfrage teilte das Bundesamt für Finanzen (BfF) dem Beklagten am 14. August 1998 folgendes mit:
„Die Firma „D.“ war hier bereits Gegenstand mehrerer Anfragen an die IZA des Bundesamtes für Finanzen ...
... Bei der „D.“ handelt es sich m. E. um eine wirtschaftlich inaktive Briefkastenfirma (Sitz- oder Domizilgesellschaft), die am ... gegründet wurde und nur ihren formellen Sitz in ... hat (Anl. 1).
Diese Aussage wird durch nachfolgende Gründe erläutert:
- Es ist weder eine Geschäftsadresse noch ein Telefonanschluß auf den Namen der Firma in Großbritannien ersichtlich, ohne den m. E. ein Unternehmen am allgemeinen Wirtschaftsverkehr nicht teilnehmen kann.
- Die „D.“ verfügt lediglich über ein, für Briefkastenfirmen typisches „Büroservice-Domizil“ bzw. eine „Korrespondenzadresse“ (...). Es handelt sich hierbei um die Büroadresse der Firma S. Ltd. (Agentur f. Büro- und Sekretariatsdienste), welche aber gem. eigenen Angaben vorgibt, die angefragte Firma nicht zu kennen.
- Das eingezahlte Kapital beträgt lediglich 2 GBP, was m. E. für eine aktive Geschäftstätigkeit nicht ausreichend ist.
- Die Firma verfügt nicht über Mitarbeiter.
- Im Telefonbuch 1996 (Anlg. 2) ist die „D.“ nicht verzeichnet.
- In den hier vorliegenden Branchen- und Wirtschaftsführern (z. B. „Kompass") ist die angefragte Firma auch nicht auffindbar.
- Der Direktor (Geschäftsführer) B. ist hier schon bei weiteren Firmen als Funktionsträger in Erscheinung getreten, die auch als Domizilgesellschaften bekannt sind. Diesbezüglich ist m. E. eine wirkungsvolle, auf den Geschäftszweck der „D.“ ausgerichtete Geschäftsleitung durch ihn in Großbritannien nicht möglich.
Als Gesellschafter der „D.“ sind H. und D. eingetragen, die auch an weiteren diversen Briefkastenfirmen beteiligt sind. Vermutlich werden die Anteile an der angefragten Firma nur treuhänderisch gehalten (vgl. Punkt III.). Die tatsächlichen Anteilseigner sind somit nicht bekannt. ...
Im Vereinigten Königreich, das aus gesellschafts- und steuerrechtlichen Gründen als „de facto Steueroase“ zu klassifizieren ist, werden Briefkastengesellschaften üblicherweise durch örtlich ansässige Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer oder spezielle Gesellschaftsgründungsfirmen (sog. Registrierungsgesellschaften) gegründet, in deutschen Tageszeitungen zum Verkauf angeboten und auf Wunsch vor Ort verwaltet.“
Danach vertrat der Beklagte unter Hinweis auf § 160 Abgabenordnung 1977 - AO - die Auffassung, die Zahlungen an die Firma D. seien nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, weil diese Gesellschaft eine sog. „Domizilgesellschaft“ sei und die Klägerin die hinter der Gesellsc...