Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit von Aufrechnungserklärungen des FA nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
Mit dem Anspruch auf Erstattungszinsen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefallen sind, kann nicht aufgerechnet werden.
Normenkette
AO §§ 226, 233a; InsO § 95 Abs. 1, § 96 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Aufrechnungserklärungen des Beklagten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin.
Mit Beschluss des Amtsgerichts L vom 8. Februar 2000 (Az. 1.. IN .. . ./99) wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 30. August 2001 erließ der Beklagte Änderungsbescheide betreffend Körperschaftsteuer 1994 und 1995, die neben Guthaben zur Körperschaftsteuer auch Erstattungszinsen im Sinne von § 233 a Abgabenordnung - AO - auswiesen.
Am 14. Februar 2002 ergingen aufgrund eines Verlustrücktrages aus 1996 erneut geänderte Körperschaftsteuerbescheide für 1994 und 1995, die zu Erstattungsansprüchen führten. Der Beklagte setzte deshalb mit diesen Bescheiden auch Zinsen im Sinne von § 233 a AO in Höhe von 12.180,17 bzw. 23.538,96 Euro für 1994 und 1995 fest. Die Zinsläufe liefen für 1994 vom 1. April 1996 bis zum 17. Februar 2002 und für 1995 vom 1. April 1998 bis zum 17. Februar 2002. Auf den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahren am 8. Februar 2000 entfielen dementsprechend von den Erstattungszinsen für 1994 4.176,06 Euro und von den Erstattungszinsen für 1995 12.281,20 Euro.
Mit Aufrechnungserklärung vom 26. Oktober 2001 rechnete der Beklagte die Guthaben zur Körperschaftsteuer 1994 einschließlich Zinsen in Höhe von insgesamt 144.471,00 DM mit Umsatzsteuerrückständen aus dem 3. Quartal 1999 auf. Dieser Aufrechnungserklärung widersprach die Klägerin im Hinblick auf § 96 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung - InsO -.
Mit einer weiteren Aufrechnungserklärung vom 20. Februar 2002 rechnete der Beklagte die Guthaben zur Körperschaftsteuer 1995 einschließlich Zinsen mit seinen Forderungen wegen Gewerbesteuer 1994 und 1995 sowie Umsatzsteuer 3. und 4. Quartal 1999 auf. Außerdem erklärte er die Aufrechnung der Erstattungszinsen zur Körperschaftsteuer in Höhe von 12.180,17 Euro mit seinen Forderungen wegen Umsatzsteuer 4. Quartal 1999.
Auch diesen Aufrechnungserklärungen widersprach die Klägerin und berief sich darauf, dass diese Aufrechnungen gegen die Aufrechnungsverbote der §§ 95 Abs. 1 Satz 3 und 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO verstoßen würden.
Am 18. März 2002 erließ der Beklagte diesbezüglich einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO.
Den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 9. April 2003 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.
Nachdem während des Klageverfahrens der Bundesfinanzhof - BFH - mit Urteil vom 31. Mai 2005 (VII R 71/04, nicht amtlich veröffentlicht, vorgehend Finanzgericht - FG - Berlin vom 29. März 2004, Az. 8 K 8316/02) unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 2004, VII R 45/03, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2004, 815 m.w.N.) entschieden hatte, dass das Finanzamt im Insolvenzverfahren mit Forderungen aufrechnen kann, die vor Verfahrenseröffnung entstanden sind, ohne dass es deren vorheriger Festsetzung, Feststellung oder Anmeldung zur Insolvenztabelle bedarf, hat der Kläger als Insolvenzverwalter seine Klage insoweit zurückgenommen, als sie die Aufrechnung der Körperschaftsteuerguthaben 1994 und 1995 und der dazugehörigen Solidaritätszuschläge betraf. Unter Berufung auf das zuerst genannte BFH-Urteil hat er aber seine Klage insoweit aufrechterhalten, als er die Aufrechnung mit den festgesetzten Erstattungszinsen für rechtswidrig hält, soweit diese nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens angefallen sind.
Der Kläger beantragt,
den Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO vom 18. März 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. April 2003 zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, die auf den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallenden Zinsguthaben von insgesamt 16.457,26 Euro an die Insolvenzmasse auszukehren.
Für den Beklagten ist in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen. Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er beruft sich zur Begründung seines Klageabweisungsantrags auf das Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 29. Juni 2004 (IX ZR 147/03, Betriebsberater - BB - 2004, 1927), mit dem der BGH entschieden hat, dass eine Dividende, die erst durch einen Beschluss nach Insolvenzeröffnung entsteht, keine nur rechtlich bedingte Forderung im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 1 InsO ist. Er meint, der Umkehrschluss aus diesem Urteil führe zwingend zu der Feststellung, dass der BFH mit seinem Urteil vom 31. Mai 2005 (a. a. O.) von der Rechtsprechung des BGH abgewichen sei. Der Zinsanspruch sei bereits mit Ablauf des Veranlagungszeitraums begründet, d...