Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von aus der Entziehung von Waren aus der zollamtlichen Überwachung entstandenen Einfuhrabgaben
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein sog. Zugelassener Empfänger, der die Zulassung der Gestellung außerhalb des Amtsplatzes der Bestimmungszollstelle nach Zollgutversand besitzt und der sich bei der Zollabwicklung eines Dritten bedient, muss sich grundsätzlich dessen Verschulden wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Er trägt im Erlassverfahren die Beweislast für Nichtverschulden.
2. Von einem Zugelassenen Empfänger kann allerdings nicht erwartet werden, dass er in jedem Einzelfall der Selbstabholung durch einen Fahrer aus einem Drittland einen seiner Mitarbeiter zur Zollabfertigung mitfahren lässt. Ihm muss zugestanden werden, durch geeignete Organisation die Erfüllung seiner zollrechtlichen Pflichten in einer Weise sicherzustellen, dass Fehler nahezu ausgeschlossen sind. Ein offensichtlich fahrlässiges Verhalten kann dem zugelassenen Empfänger deshalb nicht schon dann angelastet werden, wenn sich nach jahrelang unbeanstandeter Übung ein erstmaliger und damit nicht vorhersehbarer Fehler ergibt.
Normenkette
ZK Art. 239 Abs. 1 1. Anstrich; ZKDV Art. 899 1. Anstrich, Art. 900 Abs. 1 Buchst. o
Tatbestand
Die Klägerin, eine GmbH, hat als Spedition und Frachtvermittlerin ein Zollager am … in B.. Zur Durchführung ihrer Aufträge einschließlich der Zollabwicklung bedient sie sich der I-OHG. Die Gesellschafter beider Gesellschaften sowie die Firmensitze sind identisch, beide Gesellschaften besitzen die Zulassung der Gestellung außerhalb des Amtsplatzes der Bestimmungszollstelle nach Zollgutversand (Zugelassener Empfänger). Nach Nummer 17 der Zulassung der Klägerin sind ihr die Waren mit der Gestellung zur vorübergehenden Verwahrung übergeben und von ihr regelmäßig innerhalb von 20 Tagen nach Ankunft einer Zollbehandlung zuzuführen.
Nach Beförderung im externen Versandverfahren mit Versandschein T 1 des Zollamts Roter Sand vom … übernahm die Klägerin am gleichen Tag als Zugelassener Empfänger von der Hauptverpflichteten I-OHG 3.296 Kartons gefrorene Seehechtfilets aus dem Ursprungsland N.. Zum Weitertransport nach …, Polen, hatte der Empfänger einen Lkw entsandt, auf den die Ware am selben Tag umgeladen wurde. Dem polnischen Fahrer übergab der seinerzeit bei der I-OHG für die Zollabwicklung im internationalen Verkehr zuständige Zeuge B. die erforderlichen Papiere – u.a. das T 1 – Papier – und wies ihn an, die Ware beim Zollamt… zu gestellen und unter Raumverschluß nehmen zu lassen. Dazu informierte er ihn anhand eines Stadtplans und dort eingezeichneter Route und mit Hilfe eines u.a. in polnischer Sprache verfassten Merkblattes über die einzelnen Schritte zur Erledigung der erforderlichen Zollformalitäten.
Die Ware wurde in B. nicht gestellt. Allerdings wurde bei Einfuhr nach Polen ein Versandverfahren eröffnet.
Mit Bescheid vom 01.10.1998 setzte der Beklagte Einfuhrabgaben in Höhe von 8.268,55 DM – 4.474,86 DM Zoll-Euro und 3.793,69 DM Einfuhrumsatzsteuer – gem. Art. 218 Abs. 3 iVm Art. 203 der VO (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex –ZK–) und § 21 Abs. 2 UStG – fest mit der Begründung, die Klägerin habe die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen, indem sie sie ohne Zustimmung des Zollamtes … und damit unzulässig vom Verwahrungsort entfernt und nach Polen transportiert habe.
Den dagegen eingelegten Einspruch vom 22.10.1998 hat die Klägerin zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung am 10.10.2000 zurückgenommen.
Mit Antrag vom 21.10.1998 beantragte die Klägerin Erstattung der Abgaben gem. Art. 239 ZK mit der Begründung, die Umstände der Enziehung der Waren aus der zollamtlichen Überwachung seien nicht auf ihre offensichtliche Fahrlässigkeit zurückzuführen.
Der Beklagte entsprach dem Antrag mit Bescheid vom 19.07.1999 nicht. Es sei nicht nachgewiesen, daß offensichtliche Fahrlässigkeit nicht vorliege. Das Verschulden des Fahrers habe die Klägerin wie eigenes Verschulden zu vertreten.
Den Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Einspruchentscheidung vom 19.10.1999 zurück, weil die Nichtbeachtung gegebener Weisungen durch den Weisungsempfänger die offensichtliche Fahrlässigkeit des Auftraggebers begründe, weil er sich das Verschulden des Beauftragten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen müsse.
Am 17.11.1999 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, offensichtliche Fahrlässigkeit sei ihr nicht vorzuwerfen, da sie dem – nicht ihrem Betrieb zugehörigen – Fahrer die erforderlichen Weisungen und Informationen gegeben habe, die Ware ordnungsgemäß zu gestellen und das Versandverfahren zu eröffnen. Aufgrund der Art und Weise der Unterrichtung der Fahrer, die in der Vergangenheit stets die Einhaltung der Zollvorschriften sichergestellt habe, habe sie davon ausgehen dürfen, daß auch in diesem Fall die Ware durch den Fahrer gestellt werden würde. Das Verhalten des Fahrers müsse sie sich deshalb nicht zurechnen lassen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 1...