Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Nachzahlungszinsen bei geänderter Steuerfestsetzung wegen nachträglichen Verzichts auf Steuerbefreiung eines Grundstücksumsatzes. Ablehnung des Erlasses von Nachforderungszinsen zur Umsatzsteuer 1992
Leitsatz (amtlich)
1. Ist erst im Jahr 1995 auf die Steuerfreiheit eines in 1992 getätigten Grundstücksumsatzes verzichtet und die Umsatzsteuer in der Rechnung über den Grundstücksverkauf offen ausgewiesen worden, sind Nachzahlungszinsen zur geänderten Umsatzsteuerfestsetzung 1992 aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, weil der Steuerpflichtige durch die verspätete Steuerfestsetzung keinen Vorteil hatte.
2. Von der Anwendungsregel des Art. 97 § 15 Abs. 8 EGAO ist nicht der Fall betroffen, dass eine Steuer zwar rechtlich als im Veranlagungszeitraum entstanden gilt, sie aber aus faktischen Gründen zwangsläufig nicht deklariert, nicht festgesetzt und auch nicht bezahlt werden konnte.
Normenkette
AO 1977 §§ 227, 233a; UStG § 4 Nr. 9a, §§ 9, 13 Abs. 1 Nr. 1; EGAO Art. 97 § 15 Abs. 8
Nachgehend
Tenor
Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 06.10.1995 und der Einspruchsentscheidung vom 18.01.1999 wird der Beklagte verpflichtet, die mit Bescheid vom 01.08.1995 festgesetzten Zinsen zur Umsatzsteuer 1992 aus Billigkeitsgründen zu erlassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Über das Vermögen der Polstermöbel X…. GmbH (Gemeinschuldnerin) wurde am 30.09.1991 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Der Kläger wurde zum Verwalter bestellt. Nach dem notariellen Vertrag vom 07.01.1992 veräußerte der Kläger die in L… gelegene Betriebsstätte (Grundstück nebst aufstehendem Gebäude). Als Kaufpreis wurde eine Summe in Höhe von 900.000,– DM vereinbart. Die Umsatzsteuer in gesetzlicher Höhe sollte hinzu kommen, soweit sie zu entrichten sei.
In der Umsatzsteuererklärung 1992 wurde für die GmbH eine Umsatzsteuerschuld in Höhe von 116.043,80 DM erklärt, die mit Bescheid vom 28.11.1994 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abgabenordnung –AO– festgesetzt wurde.
In der Rechnung vom 10.07.1995 wies der Kläger für den Verkauf der Betriebsstätte eine Umsatzsteuer in Höhe von 127.141,– DM offen aus. Das damals zuständig gewesene Finanzamt M… erließ daraufhin den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1992 vom 01.08.1995 und setzte darin die Umsatzsteuer auf 243.184,– DM fest (116.043,80 DM + 127.140,20 DM). Für den Kläger ergab sich eine Umsatzsteuernachzahlung in Höhe von 127.140,20 DM, die bis zum 04.09.1995 zu entrichten war und für die Zinsen in Höhe von 10.168,– DM für sechszehn volle Monate zu je 0,5 v. H. = 8,0 v. H. festgesetzt wurde.
Den Antrag gemäß § 227 AO auf Erlass der Nachforderungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen lehnte das Finanzamt M… mit Schreiben vom 06.10.1995 ab. Aus der in der Erlass- und Stundungsakte enthaltenen Verfügung ist nicht ersichtlich, dass dem Schreiben eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war.
Am 20.11.1995 ging beim Finanzamt M… eine Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlassantrags ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 18.01.1999 wies der inzwischen zuständig gewordene Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Darin erklärte er, ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen komme nicht in Betracht, weil die vom Kläger geltend gemachten Umstände einer Verzinsung der Nachforderungen zur Umsatzsteuer gemäß § 233a AO nicht entgegen stünden. Im Streitfall habe der Kläger einen Liquiditätsvorteil in Höhe der geänderten Jahresumsatzsteuer 1992 gehabt. Es komme nicht darauf an, dass sich per Saldo die nachträglich bei der GmbH festgesetzte Umsatzsteuer und die vom Leistungsempfänger (Käuferin) abgezogene Vorsteuer ausglichen. Denn § 233a AO stelle auf einen Vorteil des Steuerpflichtigen und nicht des Finanzamts ab. Die um 127.140,20 DM höhere Umsatzsteuer für 1992 sei mit Ende des Kalenderjahres 1992 entstanden. Die Umsatzsteuer für die Leistung – hier der Verkauf der Betriebsstätte – sei unabhängig davon entstanden, ob der Kläger sie in einer Rechnung gesondert ausgewiesen gehabt habe oder ob sie beim Finanzamt vorangemeldet gewesen sei. Dass der Kläger erst in 1995 optiert und diese Leistung der Umsatzsteuer unterworfen habe, ändere daran nichts. Die Option sei rückwirkend für das Jahr 1992 möglich gewesen, weil die ursprüngliche Umsatzsteuerfestsetzung 1992 vom 28.11.1994 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden habe. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen komme auch im Hinblick auf § 233a Abs. 2a AO nicht in Betracht. Nach Art. 97 § 15 Abs. 8 Einführungsgesetz zur Abgabenordnung –EGAO– sei diese Vorschrift nur für rückwirkende Ereignisse, die nach dem 31.12.1995 eingetreten seien, anzuwenden. Damit habe der Gesetzgeber die mit der alten Rechtslage verbundenen Härten bewusst in Kauf genommen.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger vertritt die Auffassung, die Nachzahlungszinsen seien aus sachlichen Billigkeitsgründen zu ...