Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Gestellungspflicht für vom Auftraggeber ohne Wissen des Fahrers im Hohlraum eines Anhänger versteckte Zigaretten; Vorschriftswidriges Verbringen
Leitsatz (redaktionell)
1. Hinsichtlich des vorschriftswidrigen Verbringens einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware in das Zollgebiet der Gemeinschaft ist der Wortlaut des Art. 202 Abs. 1 Satz 2 ZK üblichwerweise dahin zu verstehen, dass bereits ein rein objektives Fehlverhalten unabhängig von den Vorstellungen oder gar dem Verschulden des Handelnden die Zollschuld auslöst.
2. Der nationale Gesetzgeber ist nicht berechtigt, Gestellungspflichten über den Bereich des ZK hinaus zu erweitern oder zu beschränken.
3. Ungeachtet der Zweifel an der Wirksamkeit von § 8 Satz 2 Zollverordnung ist auch unter Anwendung des Gestellungsbegriffs des ZK grundsätzlich davon auszugehen, dass besonders verheimlichte Ware ausdrücklich gestellt werden muss; das Gebot der Rechtsstaatlichkeit verbietet es aber, eine Gestellungspflicht für versteckte Waren auch demjenigen aufzubürden, der von dem Vorhandensein der Ware nicht wusste und auch unter Anwendung verkehrsüblicher Sorgfalt nichts wissen konnte (hier: mit dem Transport eines Anhängers beauftragter, gutgläubiger polnischer Taxifahrer als Werkzeug und Opfer eines raffiniert geplanten Schmuggels der in einem Hohlraum des Anhängers versteckten Zigaretten).
Normenkette
ZK Art. 202 Abs. 1 S. 1 Buchst. a; EWGV 2913/92 Art. 202 Abs. 1 S. 1 Buchst. a; ZollV § 8 S. 2; EWGV 2913/92 Art. 40; ZK Art. 40, 206; EWGV 2913/92 Art. 206, 202 Abs. 3; ZK Art. 202 Abs. 3
Nachgehend
Gründe
Der Kläger fuhr als Fahrer eines Taxis vom Typ VW-Passat mit einem Anhänger am 13.1.1998 in das Erhebungsgebiet ein. Bei der Überholung des Fahrzeuges wurden in einem extra hergerichteten Hohlraum im Anhänger, den der Kläger für einen polnischen Auftraggeber transportierte, unversteuerte und unverzollte Zigaretten entdeckt.
Das sich anschließende Strafverfahren in Deutschland wurde gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Die beschlagnahmten Zigaretten wurden vernichtet. Aus einer vom Kläger eingereichten Übersetzung ergibt sich ferner, dass in der Republik Polen ein Strafverfahren, dass der Kläger gegen seinen Auftraggeber in Gang gesetzt hat, eingestellt worden ist. Die polnischen Behörden begründeten die Verfahrenseinstellung damit, dass zwar ein Herr Miroslaw A. den Kläger beauftragte, den Anhänger über die Grenze zu bringen, er jedoch nicht vorsätzlich ein Strafverfahren gegen den Kläger initiieren wollte, was aber nach Art. 249 des polnischen Strafkodexes Voraussetzung für eine Strafbarkeit des Herrn A. jedenfalls nach dieser Vorschrift gewesen wäre. In der Einstellungsverfügung wurde ausdrücklich festgestellt, dass die Angabe des Herrn A., dass er nicht Auftraggeber gewesen sei, nicht glaubhaft sei. Die Zeugen B., C. und D. hätten bestätigt, dass der Herr A. ihnen am Vorfallstage den Anhängertransport vorgeschlagen habe. Es stehe fest, dass der Herr A. über den Anhänger habe verfügen können. Unter diesem Sachstande unterliege es keinem Zweifel, dass der Fahrer des Fahrzeuges – der Kläger in diesem Verfahren – keine Kenntnis davon gehabt habe, Zigaretten zu transportieren.
Nach den Angaben des Klägers ist er davon ausgegangen, dass er nur den Anhänger mit 2 Reifen und einem Treibstoffkanister nach L. transportieren sollte, um den Anhänger dort an andere Personen zu übergeben.
Am Tag des Aufgriffs versuchten die deutschen Zollbehörden entsprechend den Angaben des Klägers die Personen zu stellen, denen der Kläger in L. den Anhänger übergeben sollte. Nach dem in den Akten befindlichen Observationsbericht willigte der Kläger ein, zum ersten Parkplatz in L. zu fahren und dort den Anhänger zu übergeben. Der Kläger verhielt sich nach dem Observationsbericht auf dem Parkplatz auffällig, indem er aufgeregt zwischen dem PKW und dem Anhänger hin und her lief sowie mit dem PKW und dem Anhänger dreimal auf dem Parkplatz im Kreis fuhr und anschließend wieder parkte. Die Observation wurde nach vier Stunden abgebrochen, da niemand erschien, um den Anhänger zu übernehmen.
Mit Steuerbescheid vom 22.9.2000 setzte der Beklagte gegen den Kläger die Tabaksteuer fest. Der Kläger legte mit Schreiben vom 3.10.2000 Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 10.11.2000 zurückgewiesen wurde.
Mit seiner fristgerecht eingegangenen Klage macht der Kläger geltend, dass er die Zigaretten nicht im Sinne von Art. 202 Zollkodex verbracht habe. Am 12.1.1998 sei ein Herr Miroslaw A. an dem Taxistand erschienen, an dem er mit seinem Taxi gestanden habe. Er selbst betreibe ein Taxiunternehmen, da er aufgrund eines Arbeitsunfalls als Invalide keinen anderen Arbeitsplatz im polnischen Grenzgebiet habe erlangen können. Der Herr A. habe die anwesenden Taxifahrer die Herren B., C. und D. gefragt, ob sie für ihn einen Anhänger nach Deutschland überführen könnten. Diese hätten ...