Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt der Entstehung eines Auflösungsverlustes nach § 17 EStG. Wesentlichkeitsgrenze. Einkommensteuer 1999
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Auflösungsverlust ist in dem Jahr zu erfassen, in dem feststeht, dass kein Vermögen an die Gesellschafter verteilt wird und dass keine weiteren wesentlichen Anschaffungskosten oder Auflösungskosten anfallen, wobei unerheblich ist, ob das Gesamtvollstreckungsverfahren bereits abgeschlossen ist.
2. Ist der Verlust danach (Leitsatz 1) im Veranlagungsjahr 1999 entstanden, so ist für die Frage der Wesentlichkeit der Beteiligung auf die für dieses Jahr geltende Rechts- und Gesetzeslage abzustellen. Eine wesentliche Beteiligung ist danach bei einer Beteiligung von wenigstens 10% anzunehmen.
Normenkette
EStG 1997 i.d.F. vom 24.3.1999 § 17 Abs. 4 S. 1; EStG 1997 i.d.F. vom 24.3.1999 § 17 Abs. 1 S. 4; EStG 1997 i.d.F. vom 24.3.1999 § 17 Abs. 2; EStG 1997 i.d.F. vom 24.3.1999 § 52 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 11. Februar 2002 wird dahin geändert, dass bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb ein Verlust in Höhe von 141.126 DM berücksichtigt wird.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte ist befugt, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Kläger ihrerseits zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Veräußerungsverlust gemäß § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) des Klägers im Kalenderjahr 1999 berücksichtigt werden kann.
Der Kläger war geschäftsführender Gesellschafter der Firma … GmbH … (im Folgenden: GmbH). Am Stammkapital war er seit Gründung mit 17 v.H. beteiligt.
Über das Vermögen der GmbH wurde am 01. April 1996 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet; eingestellt wurde es mit Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 10. Februar 2004.
Bei der Einkommensteuerveranlagung 1999 berücksichtigte der Beklagte einen Verlust nach § 17 EStG aus der Auflösung der GmbH nicht, weil das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der GmbH noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Mit ihrem Einspruch trugen die Kläger vor, dass der Gesamtvollstreckungsverwalter … bereits für Dezember 1999 bestätigt habe, dass mit Zahlungen an die Gesellschafter nicht mehr zu rechnen sei. Dies folge auch aus dem vorläufigen Abschlussbericht zum 31. Dezember 1999. Daher sei der Verlust unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits in 1999 zu erfassen.
Dem Einspruch gab der Beklagte-aus hier nicht mehr streitigen Gründen-teilweise statt und wies ihn im Übrigen zurück, weil der Kläger an der GmbH nicht wesentlich beteiligt gewesen sei. Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmals sei auf § 17 Abs. 1 Satz 4 in der für 1996 gültigen Fassung des Einkommensteuergesetzes (EStG 1996) abzustellen, weil über das Vermögen der GmbH bereits in 1996 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und sie somit nach § 60 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ab diesem-Zeitpunkt aufgelöst worden sei. Nach § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG 1996 erfordere eine wesentliche Beteiligung, dass der Steuerpflichtige zu mehr als einem Viertel beteiligt gewesen sei. Diese Voraussetzung erfülle der Kläger nicht, da er nur zu 17 v.H. beteiligt gewesen sei.
Dagegen haben die Kläger Klage erhoben. In der Klageschrift haben sie zunächst beantragt, die Einkommensteuer 1999 unter Berücksichtigung zusätzlicher Werbungskosten des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von 46.891 DM herabzusetzen. Der Beklagte hat am 11. Februar 2002 einen antragsgemäß geänderten Bescheid erlassen, in welchem u.a. Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 68.599 DM angesetzt sind.
Mit anschließendem Schriftsatz begehren die Kläger bei Gericht die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes gemäß § 17 EStG bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb in Höhe von 209.725 DM. Ihrer Ansicht nach sei der Verlust bei der Einkommensteuerveranlagung 1999 anzuerkennen, denn die Liquidation der GmbH sei in 1999 soweit abgeschlossen gewesen, dass bereits festgestanden habe, dass der Kläger aus der Masse der GmbH keine Zahlungen erhalten werde. Auch sei nicht mehr mit einer weiteren auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden finanziellen Inanspruchnahme zu rechnen gewesen. Dies habe der Gesamtvollstreckungsverwalter bestätigt. Die Frage, ob der Kläger wesentlich an der GmbH beteiligt gewesen sei, sei anhand der Gesetzeslage zu dem Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem der Verlust entstehe und besteuert werde. Dieser Zeitpunkt läge hier in 1999. In diesem Kalenderjahr sei eine wesentliche Beteiligung bereits bei einer Beteiligung von mindestens 10 v.H. gegeben In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger...