rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von Liquiditätsvorteilen an Ärzte im Zusammenhang mit echten Factoringgeschäften bei gesonderter Entgeltsvereinbarung als nach § 4 Nr. 8 lit. a UStG steuerfreie selbstständige Kreditgewährung oder als unselbstständiger Teil der einheitlichen und steuerpflichtigen Factoringleistungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Unternehmer erbringt steuerbare Leistungen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegen Entgelt in Form eines echten Factorings an Ärzte, wenn er die Ärzte von der Verwaltung und der Einziehung der Forderungen gegenüber Patienten entlastet und das Ausfallrisiko übernimmt.
2. Erhält der Factor neben einer Pauschale für die eigentliche Factoringleistungen auch ein mit den Ärzten gesondert vereinbartes Entgelt dafür, dass er den Ärzten die abzüglich der dem Factor zustehenden Beträge verbleibenden Restbeträge sofort auf den für die Ärzte geführten Konten gutschreibt und ihnen dadurch einen Liquiditätsvorteil gewährt, so kommt es für die Frage, ob diese Zusatzleistung als selbstständiger Leistungsbestandteil eine steuerfreie Kreditgewährung darstellen kann, maßgeblich darauf an, was die an dem Factoring Beteiligten wirtschaftlich gewollt und vertraglich vereinbart sowie letztlich durchgeführt haben, was also das Wesen der Umsatzgeschäfte ausmacht.
3. Betrifft das Factoring Honorarforderungen von Ärzten, die gegenüber in aller Regel solventen Versicherten bestanden und bei denen demzufolge ein allenfalls geringes Ausfallrisiko bestand, und war das Hauptmotiv der Ärzte zur Abtretung ihrer Forderungen an den Factor, dass die Ärzte sich der als lästig empfundenen Verwaltung der Forderungen sowie deren Einziehung entledigen wollten und bereit waren, hierfür eine bestimmte Gegenleistung zu entrichten, so ist von einheitlichen steuerpflichtigen Leistungen des Factors an die Ärzte auszugehen. Auch die Verschaffung des Liquiditätsvorteils durch sofortige Gutschrift auf den Konten der Ärzte (siehe 2.) kann dann nicht als selbständige und steuerfreie Kreditgewährung behandelt werden, sondern ist ein unselbstständiger Teil der einheitlichen Factoringleistungen.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 8 Buchst. a, § 1 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz in C. Im Rahmen ihres Unternehmens kauft sie gewerbsmäßig Honorarforderungen von Ärzten an (echtes Factoring), die sie dann gegenüber den Patienten geltend macht.
Nach den Formular-Abrechnungsvereinbarungen der Klägerin mit den Ärzten (vgl. USt/Änderungsbescheid-Akte Bl. 30 f.) übermitteln diese die Abrechnungsunterlagen für den einzelnen Patienten als Datenbestand an die Klägerin und bieten dieser die jeweiligen Forderungen damit zum Kauf an. Das Kaufangebot gilt als angenommen, wenn die Klägerin die Annahme nicht innerhalb von 10 Tagen schriftlich oder per E-Mail ablehnt. Nach Eingang der Daten schreibt die Klägerin den Kaufpreis für die jeweilige Forderung dem bei ihr für den jeweiligen Arzt geführten Konto gut. Das Guthaben ist für den Arzt jederzeit abrufbar. Lehnt hingegen die Klägerin das Kaufangebot ab, hat der Arzt den vorschussweise erhaltenen Kaufpreis unverzüglich zu erstatten, welches durch die einvernehmliche Belastung seines bei der Klägerin geführten Kontos geschieht.
Die Abrechnungsvereinbarung enthält weiterhin folgende Regelung:
„3. Kaufpreis und Zahlung
Der Kaufpreis entspricht dem Rechnungsendbetrag abzüglich
- 1,50% [bzw. 1,70 % – je nach Stand der Vereinbarung] vom Rechnungsendbetrag zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer,
- 1,00% vom Rechnungsendbetrag (pauschaler Vorfinanzierungszins bei einer durchschnittlichen Rückzahlungsdauer der Patientenforderungen von 45 Tagen und einem Jahreszinssatz von 8,00%) und
- 1,45 EUR Bearbeitungsgebühr pro Rechnung sowie 0,72 EUR Portogebühr pro Rechnung jeweils zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.”
Die Klägerin wies in ihren Abrechnungen gegenüber den Ärzten die Factoringgebühren und die Vorfinanzierungszinsen getrennt aus (vgl. USt/Änderungsbescheid-Akte Bl. 55).
In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen Juli bis Dezember 2004 behandelte die Klägerin die Umsätze aus dem Forderungskauf entsprechend der Rechtsprechung des EuGH (vom 26. Juni 2003, Rechtssache „MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring GmbH” C-305/01, Slg. 2033, I-6729 /juris) erstmals als steuerpflichtige Umsätze und zwar in vollem Umfang.
Das Finanzamt D ordnete eine USt-Sonderprüfung bei der Klägerin an (vgl. Vfg vom 18. März 2005 USt/Änderungsbescheid-Akte Bl. 46). Anlass war die dem Beklagten auf Grund eines Schreibens des Rechtsanwalts eines Mitbewerbers der Klägerin (USt/Änderungsbescheid-Akte Bl. 1) zuteil gewordene Information, dass die Klägerin mit der Umsatzsteuerfreiheit der Factoringleistungen werbe, die Umsätze aber in den Voranmeldungen 7-12/04 als steuerpflichtig behandelt habe.
Der Umsatzsteuersonderprüfer ...