Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsinanspruchnahme eines ausländischen Arbeitnehmerverleihers für Lohnsteuer beschränkt Steuerpflichtiger. Festsetzungsverjährung von Lohnsteueransprüchen bei beschränkter Steuerpflicht. Lohnsteuerhaftung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine ausländische Tochtergesellschaft, die im Rahmen der Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern als Arbeitnehmerverleiher unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer im Inland ausschließlich auf Baustellen der Muttergesellschaft einsetzt, haftet auch für Lohnsteuern der beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Arbeitnehmer.
2. Die Frist für die Festsetzung von Lohnsteuer- bzw. Einkommensteueransprüchen gegenüber beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern endet gem. § 170 Abs. 1 AO 1977 vier Jahre nach Ablauf des Jahres der Steuerentstehung.
Normenkette
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1, § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 39d; AO 1977 § 170 Abs. 1, § 191 Abs. 5 S. 1 Nr. 1, Abs. 3, 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Haftungsbescheid über Lohnsteuer vom 29. März 1995, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 2000, wird aufgehoben, soweit sich die Haftung auf Lohnsteuern für 1990 erstreckt. Im übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte in Höhe von 31/100, die Klägerin in Höhe von 69/100.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit zweier gegenüber der Klägerin ergangenen Lohnsteuerhaftungsbescheide.
Die Klägerin ist eine juristische Person nach niederländischem Recht und hat ihren Sitz in den Niederlanden. Sie firmierte zunächst unter der Bezeichnung „D-B.V., …, NL…”, später unter der im Rubrum angegebenen Firma und der dort genannten Adresse. Sie ist eine Tochtergesellschaft der D-GmbH, die alle Anteile an der Klägerin hält. Die Lohnabrechnung betreffend die Jahre 1986 bis 1989 wurde für die Klägerin auf der Datenverarbeitungsanlage der Muttergesellschaft in S. abgewickelt. Während dieser Zeit waren unter anderem die Herren W., B. und L. Geschäftsführer der Muttergesellschaft und gleichzeitig auch Geschäftsführer der Klägerin.
In den Jahren 1990 und 1991 führte der Beklagte eine Lohnsteueraußenprüfung für die Jahre 1986 bis 1989 durch. Dabei gelangte der Prüfer zu der Überzeugung, dass die Klägerin ihren Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung im Inland habe, und stützte sich auf Art. 3 Abs. 5 und Abs. 6 DBA-Niederlande i.V.m. § 10 AO. Nach den Feststellungen des Lohnsteueraußenprüfers beschäftigte die Klägerin im Prüfungszeitraum überwiegend niederländische und deutsche Arbeitnehmer, gelegentlich auch Arbeitnehmer aus Frankreich, Belgien und Großbritannien, und setzte sie sowohl auf niederländischen als auch auf deutschen Baustellen ein. Lohnsteuerliche Konsequenzen seien jedoch lediglich für die Arbeitnehmer mit Wohnsitz und Tätigkeit im Inland gezogen worden. Der Prüfer ermittelte für alle Arbeitnehmer der Klägerin Lohnsteuern in Höhe von 0.000,00 DM (1986), 00.000,00 DM (1987), 000.000,00 DM (1988) und 00.000,00 DM (1989), insgesamt 000.000,00 DM.
Der Beklagte schloss sich diesen Feststellungen an und erließ am 29. Juli 1991 einen Lohnsteuerhaftungsbescheid gegenüber der Klägerin, den er folgendermaßen adressierte: „Fa. D-BV, z.H. D-GmbH, Postfach 000, 0000 S.”. Hiergegen legte die Klägerin am 28. August 1991 Einspruch ein. Darüber hinaus beantragte sie mit Schreiben vom 2. November 1992 beim Bundesamt für Finanzen die Durchführung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 22 DBA-Niederlande.
Im November 1994 führte der Beklagte eine weitere Lohnsteueraußenprüfung durch, und zwar für die Jahre 1990 bis 1992. Auf der Grundlage der Rechtsauffassung, die der Prüfer in der vorhergehenden Außenprüfung geäußert hatte, ermittelte er Lohnsteuern in Höhe von 00.000,00 DM (1990) und in Höhe von 000,00 DM (1992) nebst 00,00 DM Solidaritätszuschlag für 1992, insgesamt 00.000,00 DM (BP, Bl. 74 f.). Der Beklagte schloss sich dem an und erließ am 29. März 1995 einen entsprechenden Lohnsteuerhaftungsbescheid (BP, Bl. 77). Diesen Bescheid adressierte der Beklagte an „Fa. D-GmbH, Postfach 0000, 00000 S.” und versah ihn mit dem Zusatz „für Fa. D-B.V., …, NL-…”. Hiergegen legte die Klägerin am 20. April 1995 Einspruch ein.
Das im Jahr 1992 eingeleitete Verständigungsverfahren wurde im Jahr 1999 mit einer Verständigungsvereinbarung zwischen dem niederländischen Finanzministerium und dem Bundesamt für Finanzen beendet, wonach die Frage des Ortes der Geschäftsleitung der Klägerin nicht mehr erörtert werden sollte. Die niederländische Steuerbehörde wurden angewiesen, die in den Jahren 1988 und 1989 abgeführten Lohnsteuern an die Klägerin zu erstatten. Aufgrund der Vereinbarung erließ der Beklagte am 17. Juni 1999 einen geänderten Ha...