rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Dienstleistungsfreiheit trotz unterschiedlicher Mineralölsteuerbegünstigungen in EU-Staaten?
Leitsatz (redaktionell)
Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Art. 8a Abs. 1 RL 92/81/EWG dahingehend zu verstehen, dass er den Kraftstofftankinhalt eines Nutzfahrzeugs bei dessen binnengrenzüberschreitenden gewerblichem Einsatz schlechthin von der Mineralölsteuer befreit, wenn das als Kraftstoff bestimmte Mineralöl bereits in einem anderen Mitgliedsstaat (NL) in den steuerlich freien Verkehr überführt wurde?
2. Ist Art. 8a Abs. 1 RL 92/81/EWG im Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinie in § 19 Abs. 2 MinöStG zugunsten des Steuerpflichtigen unmittelbar anwendbar?
3. Richten sich die Verwaltungs- und Kontrollverfahren für die gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchst. f RL 92/81 EWG mögliche Verbrauchssteuerermäßigung nach Art. 8 Abs. 8 RL 92/81/EWG oder nach Art. 1 Abs. 1 RL 95/60/EG, wonach für ermäßigt besteuerte Gasöle ein System steuerlicher Kennzeichnung anzuwenden ist?
4. Verletzt eine Verbrauchssteuerermäßigung für landwirtschaftliche Arbeiten die Dienstleistungsfreiheit, wenn die Ermäßigung an ein Kennzeichnungsverfahren nach Art. 1 RL 95/60/EG geknüpft ist, das von anderen Mitgliedsstaaten nicht angewandt, sondern dort vielmehr verbrauchssteuerliche Sanktionen nach sich zieht?
5. Lässt die Verletzung der Dienstleistungsfreiheit ggf. den Steueranspruch entfallen, oder muss der Steuerpflichtige in dem Mitgliedsstaat, in dem er steuerermäßigtes, gekennzeichnetes Gasöl bezieht, zum Erreichen der Steuerfreiheit den Bezug ungekennzeichneten Mineralöls und eine Verbrauchssteuerrückzahlung begehren?
Normenkette
RL 92/81/EWG Art. 8 Abs. 2 Buchst. f., Abs. 8, Art. 8a Abs. 1, Art. 9; RL 95/60/EG Art. 1 Abs. 1; MinöStG § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 2, § 26 Abs. 4 S. 2, Abs. 5 S. 2, Abs. 6 S. 1
Streitjahr(e)
2000
Nachgehend
Tatbestand
I.
Die mit der Klägerin seit Mai 2002 verschmolzene A betrieb seit 1991 im Ausland in der Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft ein Lohnunternehmen für landwirtschaftliche Arbeiten mit neun bis zehn Mitarbeitern. Das Unternehmen hatte zu etwa zwei Dritteln ausländische und zu einem Drittel deutsche Kunden, die jeweils in ihren Ländern bedient wurden.
Im Rahmen des Betriebsablaufs der A wurden sämtliche Arbeitsfahrzeuge am Abend zuvor betankt. Zu diesem Zeitpunkt war oft noch nicht bekannt, wo die Maschinen am nächsten Tag eingesetzt wurden, da Kunden aus Witterungsgründen kurzfristig absagen konnten oder Maschinenausfälle auszugleichen waren.
Der Austausch des im Ausland verwendbaren gekennzeichneten Dieselkraftstoffs durch in Deutschland allein verwendbaren ungekennzeichneten Dieselkraftstoff war, zumal die Fahrzeuge am gleichen Tag nacheinander sowohl in dem einen wie in dem anderen der beiden Mitgliedstaaten eingesetzt wurden, nicht praktikabel. Ein Abpumpen oder ein Austausch der einzelnen Tanks nahmt sehr viel Zeit in Anspruch. Zudem bestand gerade während der Ernte ein besonderer Zeitdruck.
Wegen der Betriebsgröße sah sich die A auch außer Stande, Erntemaschinen und Traktoren ausschließlich für den deutschen Markt vorzuhalten.
Am 29.09.2000 kontrollierten Beamte der mobilen Kontrollgruppe (MKG) des Beklagten in der deutschen Ortschaft D in der Nähe der deutsch- ausländischen Grenze zwei Traktoren und einen Maishäcksler, die dort von der A bei der Maisernte eingesetzt wurden. Die Maschinen wurden mit gekennzeichnetem Dieselkraftstoff (Gasöl) betrieben. Das Fassungsvermögen ihrer Tanks betrug 135 l, 165 l und 850 l.
Der Beklagte erließ noch am 29.09.2000 einen Steuerbescheid, mit dem er die A i.H.v. 851,- DM Mineralölsteuer in Anspruch nahm. Die Mineralölsteuer wurde dabei nach dem Fassungsvermögen der Tanks und der Steuer für versteuerten Dieselkraftstoff, damals von 740,- DM/1000 l, bemessen. Der Steuerbescheid wurde einem Gesellschafter der A übergeben.
Mit einem am 20.10.2000 zur Post gelangten Schreiben legte die A Einspruch ein, der am 30.10.2000 beim Beklagten einging. Zur Begründung wies sie sinngemäß darauf hin, dass die sich im Steuerbescheid ausdrückende Praxis gemeinschaftswidrig sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18.01.2001 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück, da gekennzeichnetes Gasöl nach den Bestimmungen des Mineralölsteuergesetzes - MinöStG - im deutschen Steuergebiet vorbehaltlich der §§ 12 und 3 Abs. 3 MinöStG ausschließlich zum Verheizen genutzt werden dürfe. Daher sei das Verbringen von Gasöl aus anderen Mitgliedstaaten zur Verwendung in Fahrzeugen oder zum Antrieb landwirtschaftlicher Maschinen nach § 26 Abs. 5 MinöStG grundsätzlich verboten.
Wenn Kraftfahrzeuge, Arbeitsgeräte oder landwirtschaftliche Maschinen mit gekennzeichneten Kraftstoffen aus einem anderen Mitgliedstaat einfahren würden, sei dies steuerlich nur im Rahmen des § 26 Abs. 5 MinöStG unschädlich. § 26 Abs. 5 S.2 MinöStG biete zwar die Möglichkeit, eine Ausnahme v...