rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einrichtung und Vermietung von Arztpraxen im Betriebsgebäude eines Apothekers als dessen notwendiges Betriebsvermögen; Apotheke; Arztpraxis; Notwendiges Betriebsvermögen; Entnahme; Förderungszusammenhang
Leitsatz (redaktionell)
Teile des Betriebsgebäudes eines Apothekers, in denen der Unternehmer vornehmlich zur Erhöhung seines Umsatzes Arztpraxen eingerichtet und (unter Marktwert) vermietet hat, gehören wegen ihrer konkreten betrieblichen Funktion und des daraus folgenden unmittelbaren Förderungszusammenhangs zum notwendigen Betriebsvermögen und können daher bei fortbestehender betrieblicher Nutzung nicht entnommen werden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 5
Tatbestand
Die Klägerin ist seit 1980 Alleineigentümerin des ca. 1920 errichteten Hausgrundstücks Y-Strasse in Z, in dem sie eine Apotheke betreibt. In den Jahren 1980 bis 1985 baute sie die drei in dem Gebäude vorhandenen Wohnungen in Arztpraxen um und errichtete einen Anbau für eine vierte Arztpraxis. Von der Gesamtfläche des Gebäudes von 800 m² entfallen 198 m² (= 24,75 v.H.) auf die Apotheke und 602 m² (= 75,25 v.H.) auf die Arztpraxen. Die Apothekenräume bilanzierte die Klägerin als notwendiges Betriebsvermögen, die vier Arztpraxen als gewillkürtes Betriebsvermögen; die Umbaukosten von 1.291.961,68 DM waren zum 31.12.1988 mit 912.557 DM bilanziert.
Die 151 m² große Praxis im ersten Obergeschoss vermietete die Klägerin am 27.10.1980 an einen Kinderarzt. Laut Ergänzungsvereinbarung vom 02.01.1983 erfolgte der Einzug des Mieters am 01.01.1983; die monatliche Miete betrug 697,50 DM. Die Klägerin übernahm von April 1976 bis zum 31.12.1986 die Mieten und Nebenkosten aus einem anderen Mietvertrag des Kinderarztes.
Die 151 m² große Praxis im zweiten Obergeschoss vermietete die Klägerin am 30.12.1983 für eine monatliche Miete von 1.128,83 DM an einen Neurologen.
Die 152 m² große Praxis im Dachgeschoss vermietete die Klägerin am 26.01.1983 für eine monatliche Miete von 1.688,85 DM an einen Zahnarzt.
Die 148 m² große Praxis im Anbau vermietete die Klägerin am 11.09.1985 für eine monatliche Miete von 1.224 DM an eine Hautärztin.
Nach Regelungen in den Mietverträgen - mit Ausnahme des Mietvertrags für die Praxis im ersten Obergeschoss - sollte die Miete jährlich nach einem “Gesamtlebenshaltungskostenindex” erhöht oder herabgesetzt werden. Wegen der weiteren Regelungen wird auf die in den beigezogenen Steuerakten befindlichen Mietverträge Bezug genommen.
Auf Grund einer Buchungsanweisung vom 02.11.1988 zur “Dezemberbuchführung per 31.12.88” wurde die Entnahme der Arztpraxen aus dem Betriebsvermögen der Klägerin gebucht. In der Einkommensteuererklärung und in der Gewerbesteuererklärung für 1988 erklärte die Klägerin einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 153.764 DM, der einen Entnahmeverlust von 533.413 DM enthielt. Der Berechnung des Entnahmeverlustes lag eine Gutachten des Architekten M vom 02.09.1988 zu Grunde, der bei der Ermittlung des Ertragswerts des gesamten Gebäudes einen für die Apotheke und die Arztpraxen “nachhaltig erzielbaren, monatlichen Mietertrag” von 41.136 DM (= Reinertrag) errechnete, einen Ertragswert für das Gebäude von 582.074 DM (41.136 DM x 14,15) und für den Bodenwertanteil von 137.000 DM ansetzte sowie einen “Verkaufs- und Verkehrswert” von 700.000 DM ermittelte. Nach weiteren Berechnungen der Klägerin standen einem Buchwert für die Arztpraxen von 1.060.162 DM (anteiliger Buchwert für Grund und Boden von 39.078 DM (= 75,25 v.H. von 51.931 DM); anteiliger Buchwert Gebäude von 108.527 DM (= 75,25 v.H. von 144.114 DM); 100 v.H. der Umbaukosten von 912.557 DM) ein anteiliger Entnahmewert für die Arztpraxen von 526.750 DM (75,25 v.H. von 700.000 DM) gegenüber, was einen Entnahmeverlust von 533.413 DM ergab.
In einer Stellungnahme zum Gutachten M vom 25.07.1991 ermittelte der Bausachverständige des Beklagten nach dem Ertragswertverfahren einen Verkehrswert für das Hausgrundstück von 1.180.000 DM. Das Gutachten M gehe von unrichtigen Mieten für die Arztpraxen aus; setze man die Ende 1988 tatsächlich erzielten Mieten an, ergebe sich bereits ein Verkehrswert von 950.000 DM; bei Ansatz von marktüblichen Mieten von 14 DM/m² ergäbe sich ein Verkehrswert von 1.180.000 DM. Der Beklagte folgte seinem Bausachverständigen und errechnete in seinem Schreiben vom 02.08.1991 einen Entnahmeverlust von 72.213 DM, wobei er Umbaukosten in Höhe von 100.000 DM nicht den Arztpraxen, sondern der Apotheke zurechnete.
Unter Berücksichtigung eines Entnahmeverlustes von 72.213 DM setzte der Beklagte sowohl im Einkommensteuerbescheid für 1988 als auch im Gewerbesteuermessbescheid für 1988 vom 12.02.1992 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 307.436 DM an; der Gewerbesteuermessbescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Während des Einspruchsverfahrens vertrat die Oberfinanzdirektion in einer Beschwerdeentscheidung vom 12.10.1992 und in einer Verfügung vom 01.12.1992 die Ansicht, die Arztpraxen sei...