Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der Änderung eines Einkommensbescheids bei Erhöhung des Bruttoarbeitslohns
Leitsatz (redaktionell)
- Zunächst fälschlicherweise versteuerte Nachteilsausgleichszahlungen bei Wechsel der Zusatzversorgungskasse können in einem Folgejahr weder als negativer Arbeitslohn noch als Werbungskosten berücksichtigt werden.
- Bei der Entscheidung über die Änderung eines Steuerbescheids wegen des Bekanntwerdens neuer Tatsachen sind die Kenntnisse des Betriebsstättenfinanzamts des Arbeitgebers, der Zentralen Außenprüfung Lohnsteuer (ZALST) und der OFD dem Veranlagungsfinanzamt nicht zuzurechnen. Das gilt auch, wenn es sich um finanzamtsbezirksübergreifende Sachverhalte handelt.
- Auch wenn die der ursprünglichen Veranlagung zugrunde liegende unrichtige Lohnsteuerbescheinigung auf einer erst nach Einbehalt der Lohnsteuer widerrufenen Anrufungsauskunft des Betriebsstättenfinanzamts beruht, ist das Veranlagungsfinanzamt nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an dem Erlass eines nach § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheids gehindert.
- Die dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft entfaltet keine mittelbare Bindungswirkung im Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers.
Normenkette
AO § 118 S. 1, § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 S. 1, §§ 11, 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 1, § 42e
Streitjahr(e)
2006
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Befugnis des beklagten Finanzamts, einen bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid im Hinblick auf in den Jahren 2001 bis 2005 geleistete und fälschlicherweise als steuerpflichtig behandelte Nachteilsausgleichszahlungen des Arbeitgebers an eine Zusatzversorgungskasse, die dieser im Streitjahr 2006 bei der Lohnsteueranmeldung als negative Einnahmen des Arbeitnehmers behandelt hat, nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung – AO – zu ändern.
Die Kläger wurden im Streitjahr 2006 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte wie in den Vorjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als Angestellter der Flughafen A-Stadt GmbH – FAG –.
Mit Bescheid vom 13. November 2007, im maschinellen Veranlagungsverfahren am 5. November 2007 freigegeben, wurden die Kläger (erklärungsgemäß) zur Einkommensteuer 2006 veranlagt.
Am 21. November 2008 erhielt der Beklagte eine Prüfungsmitteilung des Finanzamts A-Stadt - Zentrale Außenprüfungsstelle Lohnsteuer (ZALST) – (Blatt 10 des Einspruchshefters) vom 14. November 2008. Darin führte die ZALST aus, dass im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung bei der FAG und deren Tochtergesellschaften festgestellt worden sei, dass der Arbeitgeber im Rahmen der laufenden Lohnabrechnung im September 2006 den steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn um einen Betrag in Höhe von 1.076,71 EUR gemindert habe, weil er davon ausgegangen sei, dass in dieser Höhe negativer Arbeitslohn vorliege. Dies sei nicht der Fall. Vielmehr handele es sich bei diesem Betrag um die Summe der in den Jahren 2001 bis 2005 individuell versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen an die Rheinische Zusatzversorgungskasse – RZVK – B-Stadt. Die Einzelheiten zu diesem Sachverhalt mit Hinweisen zur Bearbeitung der zu erwartenden Einspruchsverfahren werde die Oberfinanzdirektion – OFD – Rheinland in einer überarbeiteten Fassung der Kurzinformation Einkommensteuer 67a/2006 spätestens Anfang Dezember 2008 in das Informationssystem der Finanzverwaltung NRW – ISYS – einstellen. Das Verfahren, die Festsetzungsfinanzämter über den Sachverhalt mit Kontrollmitteilungen zu informieren, sei mit dem Lohnsteuer- und dem AO-Referat der OFD Rheinland abgestimmt worden. Der Arbeitgeber könne im vorliegenden Fall nicht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden. Deshalb sei der bislang bescheinigte steuerpflichtige Bruttoarbeitslohn um 1.076,71 EUR zu erhöhen und der Einkommensteuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.
Daraufhin erließ der Beklagte am 19. Dezember 2008 einen auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützten Einkommensteueränderungsbescheid für das Jahr 2006 und berücksichtigte einen um 1.076 EUR erhöhten Bruttoarbeitslohn des Klägers. Dagegen legten die Kläger fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, der Arbeitgeber habe den Arbeitslohn berechtigt um negative Einkünfte gekürzt. Ursache sei gewesen, dass in den Jahren 2001 bis 2005 ein vom Arbeitgeber wegen eines Wechsels der Zusatzversorgungskasse – ZVK – gezahlter Nachteilsausgleich als Vergütungsbestandteil behandelt worden sei, obwohl den betroffenen Arbeitnehmern in keiner Weise ein Vorteil zugeflossen sei. Nach Klarstellung der Rechtslage durch den BFH seien im Jahr 2006 zur Korrektur negative Einkünfte angesetzt worden. Dies wiederum beruhe auf einer verbindlichen Anrufungsauskunft des Finanzamts A-Stadt II, der zufolge der Arbeitgeber nach materiellem Recht zum Ansatz der negativen Einkünfte berechtigt gewesen sei und diese...