Entscheidungsstichwort (Thema)
Innergemeinschaftliche Lieferung: Abgrenzung zum innergemeinschaftlichen Verbringen, Lieferort bei Veräußerung von Waren aus einem inländischen Konsignationslager
Leitsatz (redaktionell)
- Die Beförderung von Waren aus den Niederlanden in das deutsche Konsignationslager eines niederländischen Unternehmers stellt ein in den Niederlanden steuerbares, aber steuerbefreites innergemeinschaftliches Verbringen dar, wenn nach dem Konsignationslagervertrag ein Kaufvertrag zwischen dem Lieferer und dem Abnehmer erst mit der Entnahme eingelagerter Waren zustande kommt.
- Erst mit der Entnahme und Weiterveräußerung der bis zu diesem Zeitpunkt nicht verbindlich bestellten Waren durch den Abnehmer (Großhändler) erfolgt eine zeitgleiche Lieferung des niederländischen Unternehmers an den Abnehmer am Ort des Konsignationslagers in Deutschland.
- Es genügt nicht, dass das Konsignationslager nur für einen bestimmten Abnehmer eingerichtet worden ist, den keine vertragliche Pflicht zur Abnahme der Lagerware trifft (vgl. Hessisches FG, Urteil vom 25.08.2015, 1 K 2519/10, EFG 2015, 2229).
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 1a Abs. 2 S. 1, § 3 Abs. 1, 6 S. 1, Abs. 7 S. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 17 Abs. 2 Nr. 1; UStAE Abschn. 1a.2 Abs. 6, Abschn. 3.12 Abs. 3 S. 7
Streitjahr(e)
2005, 2006, 2007, 2008, 2009, 2010
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob über ein sog. Konsignationslager erfolgte Lieferungen der in den Niederlanden ansässigen Klägerin an die im Inland ansässige Beigeladene im Inland steuerbar und steuerpflichtig sind oder in den Niederlanden steuerbare aber steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen darstellen.
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts (B.V.) mit Sitz in den Niederlanden. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Entwurf, die Herstellung, der Vertrieb und der Handel mit Computern, elektronischen Produkten, Zubehör und Peripheriegeräten sowie die Erteilung von Dienstleistungen in diesem Zusammenhang.
Die Klägerin ist langjähriger Geschäftspartner der Beigeladenen, einem Großhändler der Informations- und Kommunikationstechnologie mit Sitz in Deutschland. In den Streitjahren 2005 bis 2010 lieferte die Klägerin Waren (Bildschirme) an die Beigeladene. Die Waren wurden dabei von der Klägerin aus den Niederlanden in ein auf dem Betriebsgelände der Beigeladenen befindliches Konsignationslager verbracht. Grundlage war ein zwischen der Klägerin und der Beigeladenen getroffenes „Consignment Distribution Agreement” vom 14.04.2003 - im Folgenden: CDA - (Bl. 50 ff. d. A. mit deutscher Übersetzung).
Die Beigeladene war gemäß des CDA verpflichtet, den von der Klägerin in Konsignation angelieferten Konsignationsbestand in einem gesonderten von ihr betriebenen Lager zu lagern, zu dem allein die Beigeladene Zugang hatte. Die Klägerin war nur nach einer angemessenen Vorankündigung berechtigt, das Lager zum Zwecke einer Inventur zu betreten. Die Beigeladene war dazu berechtigt, den Konsignationsbestand im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebs an ihre Kunden zu veräußern. Die Klägerin blieb solange Eigentümerin des Konsignationsbestandes, bis die Beigeladene der Klägerin - einmal wöchentlich - eine Aufstellung des in der Vorwoche an ihre Kunden verkauften Konsignationsbestandes übermittelt hatte. Diese Aufstellung sei als Auftrag zu betrachten und stelle die Grundlage für die monatliche Rechnungsstellung der Klägerin an die Beigeladene dar. Der Verkaufspreis der Klägerin an die Beigeladene wurde an dem Tag, an dem die Beigeladene den Konsignationsbestand weiter veräußerte, bestimmt. Der Konsignationsbestand wurde von der Beigeladenen bei der Klägerin auf Grundlage der gemeinsam vereinbarten Einlagerungsrichtlinien bestellt. Die Klägerin war verpflichtet, den Konsignationsbestand mindestens drei Wochen im Lager zu belassen; nach Ende dieses Zeitraumes war die Beigeladene berechtigt, den gesamten Bestand oder einen Teil davon an die Klägerin zurückzusenden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das CDA Bezug genommen (Bl. 50 ff. d. A.).
Die Klägerin behandelte die Veräußerungen an die Beigeladene als in Deutschland nicht steuerbar und erklärte diese in den Niederlanden als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen (...). Damit korrespondierend erklärte die Beigeladene innergemeinschaftliche Erwerbe in entsprechender Höhe in Deutschland und zog die darauf entfallende Umsatzsteuer als Vorsteuer ab.
Mit Schreiben vom 26.08.2011 wandte sich die Klägerin an den Beklagten und teilte mit, dass sie die fraglichen Warenlieferungen an die Beigeladene nicht in Übereinstimmung mit der in Abschn. 1a.2 Abs. 6 und 3.12 Abs. 3 UStAE dargestellten Rechtsauffassung der deutschen Finanzverwaltung und daher ggf. unzutreffend besteuert habe. Aufgrund der konkreten Bestimmtheit des Warenempfängers sei sie jedoch weiter der Auffassung, innergemeinschaftliche Lieferungen an die Beigeladene ausgeführt zu haben.
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