vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung von Vorbehaltsfestsetzungen nach widerspruchsloser Feststellung zur Insolvenztabelle

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Nach der widerspruchslosen Feststellung von Steuerforderungen zur Insolvenztabelle ist eine Änderung der zugehörigen Steuerfestsetzungen auch dann nicht mehr möglich, wenn diese unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen.
  2. Eine Klage auf die Änderung der Eintragungen zur Insolvenztabelle nach § 130 Abs. 1 AO ist, wenn nicht die Voraussetzungen einer Untätigkeits- oder Sprungklage vorliegen, nur nach Durchführung des außergerichtlichen Vorverfahrens zulässig.
 

Normenkette

InsO § 178 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3, § 183 Abs. 2; AO § 124 Abs. 2, § 130 Abs. 1, § 164 Abs. 2; ZPO § 240; FGO § 44 Abs. 1, §§ 45-46

 

Streitjahr(e)

2010, 2011

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Änderung von Steuerbescheiden bzw. auf Änderung der Eintragungen zur Insolvenztabelle hat.

Der Kläger wurde in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn B (Amtsgericht) zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am 26.07.2012 eröffnet und ist noch nicht abgeschlossen.

Der Insolvenzschuldner (im Folgenden kurz: InsSch) erzielte in den Streitjahren 2010 und 2011 u.a. gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft. Der Betrieb wurde am 31.12.2011 eingestellt.

Mangels Abgabe von Steuererklärungen erließ der Beklagte am 11.07.2012 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Schätzungsbescheide zur Einkommensteuer (ESt) und Umsatzsteuer (USt) für die Jahre 2010 und 2011. Dabei wurden Einkünfte aus Gewerbetrieb i.H.v. 5.000 € bzw. 12.000 € angesetzt.

Der InsSch legte gegen die vorgenannten Bescheide am 08.08.2012 Einspruch ein und reichte die fehlenden Steuererklärungen, die von ihm selbst unterschrieben wurden, am 20./23.08.2012 nach. Darin wurden Verluste aus Gewerbebetrieb i.H.v. -49.398 € (2010) bzw. -70.695 € (2011) erklärt.

Ausweislich eines in der ESt-Akte abgehefteten Gesprächsvermerks fand am 06.09.2012 ein Telefonat zwischen einem Mitarbeiter des Beklagten und einem Sachbearbeiter aus dem Büro des Klägers statt, in dem Letzterer darauf hingewiesen wurde, dass der InsSch gegen die Schätzungsbescheide Einspruch eingelegt habe und Steuererklärungen nachgereicht habe, sowie darauf, dass nach Insolvenzeröffnung nur der Insolvenzverwalter befugt sei, Einsprüche einzulegen und Erklärungen abzugeben.

Mit Schreiben vom 24.09.2012 meldete der Beklagte die aus den Schätzungsbescheiden resultierenden Steuernachzahlungsansprüche i.H.v. 21.839,72 € sowie noch offene Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Juli bis Dezember 2011 i.H.v. 1.403,90 € neben weiteren Forderungen zur Insolvenztabelle an. Die Forderungen wurden - mit Ausnahme zusätzlicher Säumniszuschläge i.H.v. 49,25 € - nicht bestritten und am 29.10.2012 als festgestellt in die Insolvenztabelle eingetragen.

Mit Schreiben vom 06.12.2012 ließ der Kläger mitteilen, dass er sich nicht in der Lage sehe, die Steuererklärungen zu unterschreiben, da ihm die in den Jahresabschlüssen enthaltenen und verbuchten Sachverhalte nicht bekannt seien. Er regte eine antragsgemäße Veranlagung an, sofern dem Finanzamt die Angaben des Steuerpflichtigen schlüssig erscheinen würden.

Mit Schreiben vom 29.04.2013 wurden die Steuererklärungen nochmals an den Beklagten übersandt, und zwar diesmal durch den Kläger. Zugleich beantragte der Kläger unter Hinweis darauf, dass die Einspruchsfrist analog § 240 ZPO unterbrochen sei und die Steuerfestsetzungen ohnehin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen seien, die Änderung der ESt- und USt-Bescheide 2010 und 2011. Zudem beantragte er, die Tabellenanmeldungen vom 24.09.2012 entsprechend zu mindern.

Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 02.09.2013 mit, dass eine Bearbeitung der Steuererklärungen nicht mehr möglich sei, da die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen anerkannt worden seien. Gem. § 178 Abs. 3 InsO wirke die Eintragung in die Tabelle für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. Eine Änderung aufgrund der eingereichten Steuererklärungen könne daher nicht mehr erfolgen.

Der Kläger legte wegen der "Ablehnung der Änderungsanträge nach § 164 Abs. 2 AO" Einspruch ein und beantragte, das Verfahren im Hinblick auf das Revisionsverfahren I R 39/13 ruhen zu lassen. Der Beklagte kam dem nach.

Während des Einspruchsverfahrens wurde ein Insolvenzplan aufgestellt, der auflösend bedingt war und letztlich scheiterte. Das Insolvenzverfahren wurde fortgeführt.

Das Einspruchsverfahren wurde nach Entscheidung des Verfahrens I R 39/13 wieder aufgenommen. Mit Schreiben vom 29.01.2015, auf das bezüglich der Einzelheiten verwiesen wird, äußerte sich der Beklagte zur Rechtslage.

Der Einspruch wurde mit zwei Einspruchsentscheidungen vom 01.04.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Der Einspruchsge...

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