rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen eines Mieters für den Anbau eines Fahrstuhls als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
Aufwendungen eines Ehepaars für den behindertengerechten Umbau eines von ihm gemieteten Einfamilienhauses (Einbau eines Fahrstuhls, Umbau eines Badezimmers), die durch eine unheilbare Lähmungserkrankung der Ehefrau verursacht sind und dieser die bestmögliche Lebensqualität bei Weiternutzung des Hauses ermöglichen sollen, können als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn die Steuerpflichtigen hierdurch keinen über bloß spekulative Möglichkeiten hinausreichenden und deshalb hinreichend konkretisierten Gegenwert erwerben.
Normenkette
EStG § 33; BGB §§ 94-95, 951
Streitjahr(e)
1999
Nachgehend
Tatbestand
Die Ehefrau des Klägers war im Streitjahr 1999 schwer erkrankt und an den Rollstuhl gefesselt. Die Eheleute lebten in einem gemieteten Einfamilienhaus. Der Kläger und seine im Mai 2000 an ihrer Krankheit verstorbene Ehefrau wurden für das Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
In der Einkommensteuererklärung 1999 beantragte der Kläger die Anerkennung von Aufwendungen in Höhe von 236.413 DM (241.413 DM minus 5.000 DM) als außergewöhnliche Belastung. Der Kläger ließ für diesen Betrag einen Fahrstuhl in das Haus einbauen und ein Badezimmer behindertengerecht umgestalten. Der Beklagte erkannte die Kosten bei Durchführung der Veranlagung nicht an (Einkommensteuerbescheid 1999 vom 27.10.2000), der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen (Einspruchsentscheidung vom 19.4.2001). Der Beklagte stützte sich dabei auf die sog. Gegenwerttheorie; der Aufzug sei ein marktgängiger Gegenstand mit einer Nutzungsdauer von 15 Jahren. Dagegen richtet sich die Klage. Der Kläger begründet die Klage hauptsächlich damit, dass er keinen Gegenwert erlangt habe; er sei nur Mieter des Hauses und habe keine Ersatzansprüche.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1999 vom 27.10.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.4.2001 die Einkommensteuer 1999 auf 97.872 DM (umgerechnet in EURO) herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er sieht in den Kosten, die der Kläger getragen hat, keinen verlorenen Aufwand. Weder der Anbau des Aufzugs noch der Umbau des Badezimmers habe zu Gegenständen geführt, die ohne jeden Marktwert für andere Personen seien.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die nachfolgenden Urteilsgründe und die im Einspruchs- und Klageverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten schriftsätzlichen Stellungnahmen nebst den dort beigefügten Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die geltend gemachten Aufwendungen sind als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerrechtlich abziehbar. Eine außergewöhnliche Belastung liegt vor, wenn einem Steuerpflichtigen größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes zwangsläufig und außergewöhnlich erwachsen, die einen gewissen Umfang überschreiten (zumutbare Eigenbelastung, § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Da die hier einschlägigen Umbauten nicht in einem eigenen, sondern in einem gemieteten Haus erfolgten, wobei hinreichend konkretisierte bleibende Vorteile des Klägers aufgrund der Aufwendungen nicht erkennbar sind, ergibt sich auch aus dem Aspekt eines erlangten Gegenwerts (sog. Gegenwerttheorie) nichts Abweichendes.
Die Ehefrau litt an der „amyotrophen Lateralsklerose”, einer fortschreitenden, durch Zelluntergang bedingten und das Fortbewegungssystem betreffenden, derzeit unheilbaren Erkrankung des motorischen Systems. Sie lebte zuletzt im Rollstuhl. Um ihr in den verbleibenden Lebensmonaten ein Höchstmaß an restlicher Lebensqualität zu gewähren, hat der Kläger die erheblichen Aufwendungen für den Anbau eines - vom TÜV ausdrücklich als Behindertenfahrstuhl abgenommenen - Fahrstuhls an der Giebelwand des gemieteten Einfamilienhauses (durch eine Hälfte der sich dort befindenden Doppelgarage) und den rollstuhlgerechten Umbau eines Badezimmers nebst den dadurch notwendig gewordenen Mauer- und Türöffnungsumbauten getätigt. Diese Aufwendungen waren ausschließlich durch die Erkrankung der Ehefrau verursacht und dienten dazu, der Erkrankten für ihre restlichen Tage ein ihrem bisherigen Leben möglichst entsprechendes selbständiges Leben im Wohnhaus zu ermöglichen (Weiterbenutzung des Schlafzimmers der Eheleute im Dachgeschoß, Zugang zum Garten durch einen Ausgang im Untergeschoß des gemieteten Einfamilienhauses). Bei dieser Sachlage waren die Aufwendungen, deren Außergewöhnlichkeit außer Frage steht, zwangsläufig. Dabei braucht der abschließenden Erwägung des Beklagten (erstmal...