Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerrechtliche Behandlung eines Forderungskaufes einer Organgesellschaft als echtes Factoring
Leitsatz (redaktionell)
- Bei einem Forderungsverkauf erfolgt die Forderungseinziehung nicht im Rahmen eines Leistungsaustauschs mit dem Verkäufer (echtes Factoring), wenn zwischen den Vertragsparteien keine Dauerrechtsbeziehung besteht, die Forderungen zivilrechtlich und wirtschaftlich (endgültig) erworben werden und deren Einziehung als Ausfluss des Haltens dieser erworbenen Vermögenswerte und ausschließlich im eigenen Interesse betrieben wird.
- Der im Kaufvertrag vereinbarte „Abschlag” stellt in diesem Fall kein auf die Erbringung einer Dienstleistung gerichtetes Entgelt dar, sondern eine nach dem voraussichtlichen finanziellen Aufwand zur Realisierung der Forderungen bemessene kalkulatorische Größe.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 8c; UStR 2005 A 18 Abs. 11 S. 6
Streitjahr(e)
2004
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Forderungskauf der Organgesellschaft der Klägerin umsatzsteuerlich wie ein sog. echtes Factoring zu behandeln ist.
Die Klägerin (Organträgerin) ist alleinige Gesellschafterin der ABC GmbH (ABC GmbH; Organgesellschaft). Mit Kaufvertrag vom 26. Oktober 2004 erwarb die ABC GmbH (Käuferin) von der B-Bank AG (B-BANK AG; Verkäuferin) ein Portfolio von Forderungen aus 70 gekündigten Darlehensverträgen, die durch Grundpfandrechte besichert waren. Der Kaufvertrag hatte u. a. folgenden Inhalt:
§ 1
Gegenstand dieses Kaufvertrages sind die in der Anlage Portfoliodaten aufgeführten Grundpfandrechte sowie alle sonstigen Rechte und Ansprüche aus den Darlehensverträgen einschließlich der Darlehensforderungen, einschließlich Nebenforderungen…insbesondere der dinglichen Sicherheiten, aller Titel und aller sonstigen im Zusammenhang mit den jeweiligen Darlehensverträgen stehenden Unterlagen...
§ 2.2
Die verkauften Gegenstände werden ab dem Stichtag (29. April 2004) auf Rechnung und auf Risiko des Käufers geführt bzw. gehalten.
§ 3.1
Der Kaufpreis für die verkauften Gegenstände beträgt 8.034.883 EUR.
§ 3.2
Bei der Bemessung des Kaufpreises sind Käufer und Verkäufer davon ausgegangen, dass der voraussichtlich realisierbare Teil der Forderungen aufgrund der erheblichen Zahlungsstörungen deutlich unter dem Nennwert liegt und 8.956.101 EUR beträgt…und über einen Zeitraum von ca. 3 Jahren realisiert werden muss.
§ 3.3
Käufer und Verkäufer sind sich jedoch einig, dass keine nachträgliche Kaufpreisanpassung erfolgen soll, wenn sich in rückblickender Betrachtung herausstellen sollte, dass der realisierbare Teil der Forderungen höher oder niedriger ausfallen sollte oder die Realisierung der Forderungen schneller oder langsamer möglich ist als gemäß § 3.2 angenommen.
§ 3.4
Käufer und Verkäufer gehen davon aus, dass der Erwerb der Forderungen nicht in den Anwendungsbereich des BMF-Schreibens vom 3. Juni 2004 IV B 7 - S 7104 - 18/04 (MKG Urteil) fällt. Dies ist insbesondere der Fall, weil der Käufer die Forderungen im eigenen und nicht im fremden Interesse einziehen wird und der Verkäufer die Kundenbeziehung abschließend beendet hat. Falls die Finanzbehörden jedoch den Verkauf in den Anwendungsbereich des vorgenannten Schreibens stellen sollten, so wird der Käufer die entsprechende Umsatzsteuer, deren Höhe sich wie folgt ermittelt, abführen:
vorauss. realisierbarer Teil der Forderungen |
8.956.101,00 EUR |
Anteil für Kreditgewährung (Zins 5,97 %) |
556.293,00 EUR |
Kaufpreis |
8.034.883,00 EUR |
Abschlag |
364.926,00 EUR |
darin USt |
50.334,62 EUR |
Nettoabschlag |
314.591,38 EUR |
Das Risiko, dass die Finanzbehörden eine höhere oder geringere Bemessungsgrundlage feststellen, geht zu Lasten des Käufers.
§ 11.1
Eine Haftung des Verkäufers für die Einbringlichkeit der Forderungen (Delkredererisiko) und den wirtschaftlichen Wert der Sicherheiten ist ausdrücklich ausgeschlossen.
§ 13.2
Der Käufer ist berechtigt, die Schuldner schriftlich über die erfolgte Abtretung zu unterrichten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertragstext (s. Anlage zur Klageschrift) Bezug genommen. Die B-BANK AG fertigte sog. good bye letters, mit denen sie sämtlichen Darlehensschuldnern Verkauf und Abtretung der Forderungen anzeigte und diese aufforderte, nur noch mit der Klägerin zu korrespondieren, an die nunmehr allein mit schuldbefreiender Wirkung geleistet werden könne.
Gegen die USt-Voranmeldung 10/2004 vom 9. Dezember 2004, in der sie für das o. a. Geschäft vom 26. Oktober 2004 einen Umsatz von 314.591,38 EUR erklärt hatte, erhob die Klägerin Sprungklage (5 K 59/05), die mangels Zustimmung des Beklagten als Einspruch behandelt wurde. Diesen wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16. August 2005 als unbegründet zurück. In Anwendung der Grundsätze der Urteile des Europäischen Gerichtshofs – EuGH – vom 26. Juni 2003 Rs. C-305/01, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2003, Beilage 222 (MKG-Kraftfahrzeuge-Factoring-GmbH...